Einsatz von Plattformen und
Zusammenarbeit im Ökosystem

Willkommen zum Kompetenzmodul „Einsatz von Plattformen und Zusammenarbeit im Ökosystem“. Dieses Kompetenzmodul ist speziell darauf ausgerichtet, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei der Entwicklung und Umsetzung von smarten Produkt-Service-Systemen (Smart PSS) durch den Einsatz von plattformbasierten und kollaborativen Ansätzen zu unterstützen.

Der Erfassungsort und die Verfügbarkeit von Sensor- und Prozessdaten, auf denen Smart PSS basieren, bestimmen den Bedarf an unternehmensübergreifender Zusammenarbeit: So sind die Anbieter von Smart PSS nicht notwendigerweise auch die Sammelstellen für relevante Daten (z.B. Daten zur Zustandsüberwachung, die beim Nutzer von Maschinen erhoben werden). Zudem sind die Produkte eines Unternehmens teilweise selbst nicht mit Sensorik ausrüstbar und somit auf die Integration in das technische Gesamtsystem und den Zugriff auf die dort erfassten Daten angewiesen. Die Entwicklung smarter PSS erfordert daher neue Formen der vernetzten Zusammenarbeit von Unternehmen über digitale Plattformen und kollaborative Ökosysteme.

Ziele des Kompetenzmoduls

Das Hauptziel dieses Kompetenzmoduls ist es, KMU das notwendige Wissen,
die Werkzeuge und die Best Practices zu vermitteln, um:

Plattformbasierte Entwicklungsansätze
zu erkennen

Verstehen, wie digitale Plattformen als Grundlage für die Entwicklung und den Austausch von Daten, Analyse-Modellen und Services genutzt werden können.

Kollaborative Entwicklungsansätze im
Ökosystem zu nutzen

Erlernen von Strategien zur effektiven Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, um gemeinsam Smart PSS zu entwickeln und dabei Synergien zu nutzen.

Datenintegration und -nutzung zu optimieren

Einblicke gewinnen in die Möglichkeiten der Datenintegration über Unternehmensgrenzen hinweg und die Nutzung dieser Daten zur Schaffung innovativer Lösungen.

Einflussfaktoren systematisch zu verstehen

Verständnis schaffen, welche Motivationen, Bedingungen und Einflussfaktoren für den Daten oder KI-Modell-Austausch im industriellen Kontext bestehen.

Inhalte des Kompetenzmoduls

Im folgenden finden Sie umfangreiche Inhalte rund um das Thema Einsatz von Plattformen und Zusammenarbeit im Ökosystem.
Grundlagen: Wege des Datenaustauschs in B2B-Beziehungen

Der Datenaustausch zwischen Unternehmen (B2B) spielt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung smarter Produkt-Service-Systeme. Er ermöglicht es Unternehmen, wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen, Prozesse zu optimieren und innovative Lösungen zu schaffen. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) kann die effektive Nutzung von Datenaustauschplattformen und die Zusammenarbeit im Ökosystem entscheidende Vorteile bringen. In diesem Abschnitt werden verschiedene Wege des Datenaustauschs in B2B-Beziehungen vorgestellt. Diese Beschreibungen sollen KMU dabei helfen, die für sie passenden Modelle und Strategien für die Entwicklung smarter Produkt-Service-Systeme zu identifizieren und umzusetzen.

Datenmonetarisierung

Die Datenmonetarisierung bezieht sich auf den Prozess, bei dem Unternehmen Daten, die sie generieren oder besitzen, in wirtschaftlichen Wert umwandeln. Dies kann direkt durch den Verkauf von Daten oder indirekt durch die Nutzung von Daten zur Verbesserung von Produkten oder Dienstleistungen geschehen.

Praxisbeispiel: Van den Borne Aardappelen, ein landwirtschaftlicher Betrieb, nutzt präzise Boden- und Erntedaten, um diese Informationen an Unternehmen im Agrochemie- und Saatgutsektor zu verkaufen. Durch die Bereitstellung spezifischer Daten, wie Bodenbeschaffenheit und Wachstumsbedingungen, können diese Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen besser auf die Bedürfnisse der Landwirte abstimmen.

Datenmarktplätze

Datenmarktplätze sind Plattformen, die den Kauf und Verkauf von Daten zwischen Unternehmen erleichtern. Sie agieren als Mittler, der Datentransaktionen sicher und effizient macht, indem sie einen gemeinsamen Marktplatz für Datenanbieter und Datennutzer bieten.

Praxisbeispiel: Dawex, ein globaler Datenmarktplatz, ermöglicht es Unternehmen, Daten sicher und transparent auszutauschen. Unternehmen, die Daten benötigen, um ihre Geschäftsmodelle oder Analysen zu verbessern, können über Dawex auf eine Vielzahl von Datenquellen zugreifen, während Anbieter von Daten eine neue Einnahmequelle erschließen können.

Industrielle Datenplattformen

Industrielle Datenplattformen fördern einen kollaborativen Ansatz zum Datenaustausch innerhalb einer bestimmten Branche oder eines Ökosystems. Sie bieten eine sichere Umgebung für den Datenaustausch, um gemeinsame Effizienzsteigerungen und Innovationen zu ermöglichen.

Praxisbeispiel: Airbus hat mit Skywise eine Plattform geschaffen, die Luftfahrtunternehmen, Zulieferer und Partner zusammenbringt, um operative Daten zu teilen und auszutauschen. Durch die Analyse dieser gemeinsam genutzten Daten können alle Beteiligten operative Abläufe optimieren und präventive Wartungsstrategien entwickeln.

Technische Enabler

Technische Enabler bieten die Infrastruktur und Tools, die den Datenaustausch zwischen Unternehmen erleichtern. Sie bieten oft spezialisierte Dienste an, die auf die Bedürfnisse bestimmter Branchen oder Datentypen zugeschnitten sind.

Praxisbeispiel: DKE-Data entwickelt Lösungen, die es Unternehmen ermöglichen, ihre Daten über Web- und Cloud-basierte Plattformen zu teilen. Diese Tools bieten eine flexible und skalierbare Möglichkeit, Daten zu teilen und gleichzeitig Kontrolle und Sicherheit zu gewährleisten.

Offene Datenpolitik

Eine offene Datenpolitik bezieht sich auf die Praxis, Daten ohne Einschränkungen für die öffentliche Nutzung freizugeben. Unternehmen, die eine solche Politik verfolgen, bieten ihre Daten kostenlos an, um Transparenz zu fördern und die Entwicklung neuer Dienstleistungen und Anwendungen zu ermöglichen.

Praxisbeispiel: Elering, der estnische Übertragungsnetzbetreiber für Elektrizität, teilt Daten über Energieerzeugung und -verbrauch öffentlich, um Innovationen im Energiemarkt zu fördern und die Entwicklung neuer Anwendungen zu unterstützen, die zur Effizienzsteigerung und Nachhaltigkeit beitragen können.

Überblick über Wege des Datenaustauschs

Folgende Abbildung bietet einen Überblick über oben aufgeführte und weitere Wege des Datenaustauschs sowie verwandte Konzepte:

Überblick über Konzepte rund um den Datenaustausch in B2B.

Quelle: Arnaut, C., Pont, M., Scaria, E., Berghmans, A., & Leconte, S. (2018). Study on data sharing between companies in Europe (Final report). A study prepared for the European Commission DG Communications Networks, Content & Technology. https://doi.org/10.2759/354943

Grundlagen: Mehrwertorientierte Konstellationen für den Datenaustausch

Die Art und Weise, wie Daten zwischen Unternehmen ausgetauscht werden, kann die Entwicklung smarter Produkt-Service-Systeme (Smart PSS) erheblich beeinflussen. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ist es wichtig, die verschiedenen Konstellationen des Datenaustauschs zu verstehen, um die Potenziale voll ausschöpfen zu können. Im Folgenden werden sechs Mehrwert-Konstellationen des Datenaustauschs beschrieben, die jeweils unterschiedliche Szenarien und Wertflüsse darstellen.

Bilateraler Datenaustausch

Im bilateralen Datenaustausch teilen zwei Unternehmen direkt Daten miteinander, wobei der Wertfluss zwischen Datenanbieter und Datennutzer klar definiert ist. Diese Konstellation kann in zwei Szenarien unterteilt werden: den direkten Datenaustausch und den einwilligungsbasierten Datenaustausch.

Direkter Datenaustausch (Variante 1): Hierbei erfolgt der Austausch von Daten direkt zwischen dem Anbieter, der die Daten sammelt, und dem Nutzer, der diese Daten für weitere Zwecke verwendet. Ein beispielhafter Fall ist die Kooperation zwischen Greiner Packaging International GmbH und OBUU. Greiner teilt maschinenlogistische Daten und Produktionsaufträge, die OBUU nutzt, um die Effizienz und Resilienz der Lieferkette zu verbessern. Durch die Analyse dieser Daten konnte Greiner signifikante Investitionen reduzieren und somit Kosten einsparen. Die Gegenleistung für den Datenanbieter besteht nicht nur in monetärer Form, sondern oft auch in Dienstleistungen, die den Wert der geteilten Daten erhöhen.

Einwilligungsbasierter Datenaustausch (Variante 2): Bei persönlich identifizierbaren Daten, wie Kundendetails, erfordert der Datenaustausch die explizite Zustimmung des Datenbesitzers. Dies gewährleistet die Einhaltung gesetzlicher Datenschutzbestimmungen. Die Datenfreigabe erfolgt nur nach Erhalt dieser Zustimmung. Dieses Modell betont die Wichtigkeit der Einbeziehung des Datenbesitzers in den Austauschprozess, um Transparenz und Vertrauen zu sichern.

Konstellation 1: Bilateraler Datenaustausch.

Serviceorientierter Datenaustausch

Der serviceorientierte Datenaustausch erweitert das Modell des bilateralen Datenaustauschs, indem Dienstleister als Vermittler fungieren, die datenbasierte Services auf Grundlage der geteilten Daten entwickeln und anbieten.

In diesem Modell sammeln Dienstleister Daten von verschiedenen Quellen und nutzen diese, um spezifische Services zu entwickeln. Diese Services werden dann entweder direkt den Datennutzern oder weiteren Servicekonsumenten angeboten. Ein illustratives Beispiel ist das Projekt "Smart Cleaning", in dem ein Reinigungsunternehmen Sensordaten verwendet, um den Bedarf an Seifennachfüllungen oder Reinigungen zu ermitteln. Der Sensoranbieter liefert die Daten, die von einem Softwareanbieter analysiert werden, um effizienzsteigernde Informationen zu generieren. Diese Informationen werden über ein Dashboard dem Reinigungsunternehmen zur Verfügung gestellt, das daraufhin entsprechende Maßnahmen ergreift.

Der Schlüssel zum Erfolg in dieser Konstellation liegt in der Fähigkeit, aus rohen Daten wertvolle Einsichten oder Dienstleistungen zu generieren. Dies erfordert oft fortschrittliche Analysemethoden oder die Kombination verschiedener Datenquellen. Die Rolle des Dienstleisters ist hierbei zentral, da sie die Brücke zwischen dem reinen Datenaustausch und der praktischen Anwendung oder dem Nutzen der Daten bildet.

Konstellation 2: Serviceorientierter Datenaustausch.

Datenaustausch über Marktplätze

Zentrale und dezentrale Marktplätze ermöglichen den Austausch von Daten über eine Plattform, die als Vermittler zwischen Datenanbietern und -nutzern fungiert.

Zentraler Marktplatz (Variante 1): Diese Form des Datenaustauschs nutzt eine zentrale Plattform, um Datenanbietern und -nutzern einen gemeinsamen Marktplatz für den Austausch von Daten zu bieten. Datenanbieter können ihre Daten auf dem Marktplatz listen, wo sie von interessierten Nutzern gefunden und erworben werden können. Ein Beispiel hierfür ist Caruso, ein Datenmarktplatz, der Daten rund um das Automobil von verschiedenen Herstellern sammelt und diese Informationen Versicherungen, Reparaturwerkstätten oder anderen Dienstleistern zur Verfügung stellt. Dies ermöglicht es Unternehmen, aus den bereitgestellten Daten neue Services oder Produkte zu entwickeln und bietet den Datenanbietern eine zusätzliche Einnahmequelle.

Dezentraler Marktplatz (Variante 2): Im Gegensatz zum zentralen Marktplatz erfolgt der eigentliche Datenaustausch direkt zwischen dem Anbieter und dem Nutzer, basierend auf den Metadaten, die auf dem Marktplatz gelistet sind. Der Marktplatz dient hier lediglich als Vermittler, der die Auffindbarkeit der Daten durch Katalogisierung der Metadaten verbessert und den initialen Kontakt zwischen Anbietern und Nutzern erleichtert. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist Advaneo, das einen Datenkatalog bereitstellt, in dem Nutzer nach verfügbaren Daten suchen können. Die tatsächliche Übertragung der Daten erfolgt jedoch direkt zwischen den beteiligten Parteien, ohne dass der Marktplatz als Zwischenhändler für die Daten selbst fungiert.

Konstellation 3: Datenaustausch über Datenmarktplätze.

Datenaustausch über Daten-Treuhandstellen

Daten-Treuhandstellen gewährleisten einen sicheren und vertrauensvollen Datenaustausch, indem sie die Einhaltung rechtlicher und sicherheitstechnischer Standards sicherstellen.

Diese Konstellation fokussiert auf das Vertrauen und die Sicherheit beim Datenaustausch. Daten-Treuhandstellen agieren als vertrauenswürdige Dritte, die den sicheren und rechtskonformen Austausch von Daten zwischen Anbietern und Nutzern gewährleisten. Sie bieten oft zusätzliche Dienstleistungen wie die Anonymisierung oder Pseudonymisierung von Daten an, um Datenschutzbestimmungen einzuhalten. Ein Beispiel ist TÜV Rheinland mit seinem Trusted Data Centre, das Daten von Autofahrern unter strengen Datenschutzauflagen für die Entwicklung von Dienstleistungen nutzt. Die Treuhandstelle stellt sicher, dass alle Daten gemäß den gesetzlichen Vorgaben und den Richtlinien der Datenanbieter verwendet werden, und ermöglicht es den Datenanbietern, die Nutzung ihrer Daten kontinuierlich zu überwachen.

Daten-Treuhandstellen bieten eine Lösung für das Dilemma zwischen dem Bedürfnis nach Datennutzung und dem Schutz der Privatsphäre oder Geschäftsgeheimnissen. Indem sie einen sicheren Rahmen für den Datenaustausch schaffen, ermöglichen sie es Unternehmen, von gemeinsam genutzten Daten zu profitieren, ohne dabei Risiken im Hinblick auf Datenschutzverletzungen oder den Verlust von Wettbewerbsvorteilen einzugehen. Diese Konstellation ist besonders wertvoll für KMUs, die möglicherweise nicht die Ressourcen haben, um komplexe Datenschutzanforderungen selbstständig zu managen, und bietet ihnen die Möglichkeit, an größeren Datenökosystemen teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen.

Konstellation 4: Datenaustausch über Daten-Treuhandstellen.

Datenaustausch über Datenplattformen

Gegenseitiger Datenaustausch und datenbasierte Gegenleistungen sind Kern dieser Konstellation, bei der Datenanbieter und -nutzer über eine Plattform Daten austauschen, um gemeinsam Werte zu schaffen.

Diese Konstellation ermöglicht es Datenanbietern und -nutzern, über eine zentrale Plattform miteinander zu interagieren und Daten auszutauschen. Die Plattform dient als Mittler, der nicht nur die technische Infrastruktur für den Austausch bereitstellt, sondern auch den Mehrwert durch die Aggregation und Analyse der geteilten Daten maximiert. Ein praktisches Beispiel ist die Skywise-Plattform von Airbus, die es Airlines und anderen Akteuren der Luftfahrtindustrie ermöglicht, Daten zu teilen und gemeinsam zu nutzen. Durch den Austausch von Betriebs-, Wartungs- und Flugdaten können alle Beteiligten ihre Betriebseffizienz verbessern und präventive Wartungsstrategien entwickeln.

In dieser Konstellation teilen Datenanbieter ihre Informationen mit der Plattform, die diese Daten dann analysiert und darauf basierende Dienstleistungen oder Analysen anbietet. Die Datenplattform agiert somit nicht nur als Vermittler, sondern auch als Anbieter von Mehrwertdiensten. Ein Beispiel hierfür ist CDQ, ein Unternehmen, das Datenqualitätsdienste anbietet. Datenanbieter können ihre Stammdaten hochladen, die CDQ dann bereinigt, anreichert und verbessert zurückgibt. Dieses Modell zeigt, wie Datenplattformen nicht nur den Austausch, sondern auch die Aufwertung von Daten unterstützen können.

Konstellation 5: Datenaustausch über Datenplattformen.

Datenaustausch über Datenspaces

Datenspaces bieten eine gemeinsame Infrastruktur für den Datenaustausch zwischen einer Vielzahl von Akteuren. Sie ermöglichen es Unternehmen, Daten unter Einhaltung strenger Sicherheits- und Datenschutzstandards zu teilen. Im Gegensatz zu zentralisierten Datenplattformen sind Datenspaces oft dezentral organisiert und bieten eine offene und erweiterbare Umgebung für Datenökosysteme.

Ein beispielhaftes Modell für einen Datenspace ist das Smart Connected Supplier Network (SCSN) in der Fertigungsindustrie. Es bietet einen standardisierten Rahmen für den effizienten Datenaustausch innerhalb von Lieferketten. Hersteller, Zulieferer und Dienstleister können über diesen Datenspace Daten sicher teilen und nutzen, um die Koordination in der Lieferkette zu verbessern und Prozesseffizienz zu steigern. Serviceanbieter innerhalb des Datenspaces bieten zusätzliche Dienstleistungen wie die Integration von Datenquellen oder die Entwicklung spezifischer Anwendungen, die den Nutzen der geteilten Daten maximieren.

Datenspaces unterstreichen die Bedeutung einer robusten technischen Infrastruktur und eines starken Ökosystems von Partnern, die zusammenarbeiten, um Daten sicher und effektiv zu teilen. Sie ermöglichen es KMUs, Teil eines größeren Netzwerks zu werden, und bieten Zugang zu Daten und Ressourcen, die sonst außerhalb ihrer Reichweite liegen würden. Durch die Teilnahme an Datenspaces können Unternehmen ihre eigenen Datenwerte maximieren und gleichzeitig von den Daten und Dienstleistungen anderer Netzwerkmitglieder profitieren.

Konstellation 6: Datenaustausch über Datenspaces.

Die Wahl der passenden Mehrwert-Konstellation des Datenaustauschs kann KMU dabei helfen, ihre Datenstrategie effektiv auszurichten und die Entwicklung smarter PSS voranzutreiben. Durch das Verständnis dieser Konstellationen können Unternehmen die Chancen, die sich aus der digitalen Transformation ergeben, besser nutzen und innovative Lösungen entwickeln, die sowohl ihren eigenen Wert als auch den ihrer Kunden und Partner steigern.

Quelle: Jussen, I.; Fassnacht, M.; Schweihoff, J.; Möller, F. (2024). Reaching for the Stars: Exploring Value Constellations in Inter-Organizational Data Sharing. Working Paper.

Grundlagen: Schritte zur informierten Gestaltung des Datenaustauschs

Datenteilungsmodelle einordnen

In der Landschaft der Datenteilungsmodelle existiert eine große Vielfalt an Optionen, die von grundlegender Bedeutung für Unternehmen, wissenschaftliche Institutionen und zivilgesellschaftliche Organisationen sind. Eine fundierte Entscheidung über den Datenaustausch erfordert nicht nur ein tiefgehendes Verständnis der verschiedenen Modelle, sondern auch eine klare Orientierung hinsichtlich ihrer Einordnung und Anwendung.

Daten können aus drei Perspektiven betrachtet werden – als privates Gut, öffentliches Gut oder Gemeingut. Diese Sichtweisen beeinflussen, wie Daten reguliert, geteilt und genutzt werden sollten. Beispielsweise kann die Ansicht von Daten als privates Gut die Monetarisierung und den individuellen Austausch von Daten fördern. Im Gegensatz dazu betont die Perspektive der Daten als öffentliches oder Gemeingut die Bedeutung der Daten für das Gemeinwohl und die Notwendigkeit einer breiteren Zugänglichkeit und Nutzung.

Die Frage, wer über die Teilung von Daten entscheidet, kann auf unterschiedliche Weisen beantwortet werden – durch das Individuum, den Staat, Gemeinschaften oder Treuhänder. Jeder dieser Ansätze hat spezifische Vor- und Nachteile und passt zu unterschiedlichen Datenteilungsszenarien. Beispielsweise könnten Datenkooperativen oder Datentreuhändermodelle eine gemeinschaftliche oder treuhänderische Verwaltung und Nutzung von Daten ermöglichen, was besonders für sensible oder personenbezogene Daten relevant sein kann.

Machtkonzentration entgegenwirken

Die Verfügbarkeit und der Zugang zu Daten allein garantieren noch keinen gesellschaftlichen Nutzen oder einen fairen Wettbewerb. Vielmehr kann eine erhöhte Datenverfügbarkeit ohne entsprechende regulatorische Maßnahmen zu einer weiteren Konzentration von Macht führen. Förderprogramme für Start-ups, Kompetenzaufbau und die Anwendung kartellrechtlicher Instrumente sind Beispiele für Maßnahmen, die helfen können, einer solchen Machtkonzentration entgegenzuwirken und einen vielfältigeren und gerechteren Datenzugang zu fördern.

Es ist entscheidend, Datenteilungsmodelle so zu gestalten, dass sie algorithmische Vielfalt unterstützen und gleichzeitig die Qualität und Repräsentativität der Daten sicherstellen. Dies beinhaltet Überlegungen zur Quantität und Qualität der Daten sowie zur gesellschaftlichen Relevanz der Datennutzung.

Datenteilungsmodelle weiterentwickeln und erproben

Die Entwicklung und Erprobung von Datenteilungsmodellen stehen noch am Anfang. Es gibt bereits einige bewährte Modelle wie Datenpools und Open Data-Ansätze, aber auch neuere Konzepte wie Datentreuhänder, die weiterentwickelt und in der Praxis getestet werden müssen. Die Vielfalt der Modelle reicht von top-down-regulatorischen Ansätzen bis zu Bottom-up-Initiativen wie Datenkooperativen. Eine Herausforderung besteht darin, klare Definitionen und Begrifflichkeiten zu schaffen und die Modelle praktisch zu erproben, um belastbare Erfahrungen für ihre Beurteilung zu sammeln.

Für KMU bedeutet dies, sich aktiv mit den verschiedenen Modellen und deren Implikationen auseinanderzusetzen, um informierte Entscheidungen über den Datenaustausch treffen zu können. Dies erfordert ein Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen, der potenziellen Risiken und Chancen sowie der strategischen Ausrichtung des eigenen Unternehmens im Kontext der digitalen Transformation und der Entwicklung smarter Produkt-Service-Systeme.

Quelle: Pawelke, A.; (2020). Daten teilen, aber wie? Ein Panorama der Datenteilungsmodelle. Bertelsmann Stiftung.

Baustein: Barrieren zum Datenaustausch zwischen Firmen

Der Austausch von Daten zwischen Organisationen im privaten Sektor birgt ein erhebliches Potenzial für gemeinsame Wertschöpfung und Innovation neuer Dienstleistungen. Doch trotz dieser Erkenntnis stehen viele Unternehmen vor erheblichen Herausforderungen, die einen effektiven Datenaustausch behindern. Im Folgenden werden Barrieren aus strategischer, operativer, technologischer, kultureller und regulatorischer Perspektive beleuchtet, die auf Erkenntnissen aus Experteninterviews und wissenschaftlichen Studien basieren.

Überblick über Barrieren zum Datenaustausch zwischen Firmen.

Strategische Perspektive

  • Mangelndes Engagement des Managements und fehlende Integration in die Unternehmensstrategie: Viele Unternehmen sehen den Datenaustausch nicht als Teil ihres Kerngeschäfts, wodurch Aktivitäten oft nur projektbasiert und auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet sind. Ein top-down Commitment fehlt größtenteils, was die strategische Ausrichtung und langfristige Planung von Datenaustauschinitiativen limitiert.
  • Fehlende Anreize und Perspektiven: Die Unsicherheit bezüglich der monetären und nicht-monetären Mehrwerte führt dazu, dass Risiken höher bewertet werden als die Potenziale des Datenaustauschs. Es bedarf interner und externer Anreize, um Unternehmen zur Teilnahme zu motivieren.
  • Identifikation von Anwendungsfällen: Die Ermittlung von sinnvollen Anwendungsfällen für den Datenaustausch stellt Unternehmen vor eine Herausforderung, da ein systematischer Ansatz zur Identifizierung fehlt. Die Kreativität für neue wertschöpfende Dienste und die Klärung des Nutzens für alle Beteiligten sind essenziell, aber oft unklar.
  • Initiation und Etablierung geeigneter Partnerschaften: Die Bildung von Partnerschaften für den Datenaustausch ist komplex und wird durch Faktoren wie Vertrauensprobleme, Wettbewerbsbedenken und divergierende Datenanforderungen erschwert. Insbesondere branchenübergreifende Partnerschaften stellen eine Herausforderung dar.
  • Unsicherheit über den Wert der Daten: Viele Organisationen tun sich schwer, den Wert ihrer Daten zu erkennen und zu quantifizieren. Dies führt zu Unsicherheiten bei der Monetarisierung und Bewertung von Daten als Vermögenswerte.
  • Fehlende Erlösmodelle und Skalierbarkeit: Die Entwicklung und Etablierung von Erlösmodellen, die auf Datenaustausch basieren, stecken noch in den Kinderschuhen. Unsicherheiten bezüglich der Skalierbarkeit solcher Modelle hemmen Unternehmen daran, in Datenaustauschprojekte zu investieren.
  • Unklare Opportunitätskosten und Finanzierung: Die Opportunitätskosten des Datenaustauschs sind oft nicht klar definiert, was zu subjektiven Entscheidungen führt. Zudem stellt die Finanzierung von Datenaustauschprojekten, insbesondere wenn diese nicht zum Kerngeschäft gehören, eine Herausforderung dar.
  • Angst vor externen Abhängigkeiten bezüglich Daten und Infrastruktur: Unternehmen befürchten, durch den Datenaustausch abhängig von externen Datenquellen und Infrastrukturen zu werden, was Risiken wie Datenqualitätsprobleme oder den Verlust der Kontrolle über die Dateninfrastruktur mit sich bringt.
  • Angst vor Transparenz und Offenlegung von Wettbewerbswissen: Die Sorge, dass durch den Datenaustausch sensibles Wissen preisgegeben wird, das Wettbewerbern Vorteile verschaffen könnte, hemmt viele Unternehmen daran, ihre Daten zu teilen.
  • Angst vor wirtschaftlichem Schaden: Die Befürchtung, dass der Datenaustausch zu Reputationsschäden, finanziellen Verlusten oder rechtlichen Konsequenzen führen könnte, stellt eine erhebliche Barriere dar.

Operative Perspektive

  • Mangel an Kompetenzen und Ressourcen: Viele Unternehmen verfügen nicht über die notwendigen Fähigkeiten oder Ressourcen, um Datenaustauschprojekte erfolgreich umzusetzen.
  • Unklare Verantwortlichkeiten und Entscheidungsprozesse: Unklare Zuständigkeiten und fehlende Entscheidungsprozesse erschweren die operative Durchführung von Datenaustauschaktivitäten.
  • Angst vor Datenschutzverletzungen: Die Sorge um die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen ist ein wesentlicher Faktor, der Unternehmen vom Datenaustausch abhält.

Technologische Perspektive

  • Begrenzte Datenverfügbarkeit und -zugänglichkeit: Die historisch gewachsene Datenlandschaft in Unternehmen erschwert den Überblick und Zugang zu vorhandenen Daten.
  • Fehlende Datenverarbeitungs- und Validierungsmechanismen: Die Herausforderungen bei der Datenverarbeitung und -validierung stellen signifikante Hindernisse für den Datenaustausch dar.
  • Mangel an technischer Infrastruktur und Datenkompatibilität: Fehlende Standards und die Inkompatibilität von Systemen behindern den Datenaustausch zwischen Unternehmen.
  • Begrenzte Datenverfügbarkeit und -zugänglichkeit: Die Komplexität und Intransparenz bestehender Datenlandschaften in Unternehmen erschweren den Zugang und die Nutzung verfügbarer Daten für den Austausch.
  • Mangel an Datenverarbeitungs- und Validierungsmechanismen: Die Verarbeitung und Validierung von Daten für den Austausch erfordern spezifische Fähigkeiten und Technologien, die vielen Unternehmen fehlen, was die Qualität und Zuverlässigkeit der geteilten Daten beeinträchtigt.
  • Fehlende technische Infrastruktur und Datenkompatibilität: Der Mangel an interoperablen Systemen und Standards für den Datenaustausch behindert die effektive Zusammenarbeit zwischen Unternehmen.
  • Mangel an Datensicherheitsmechanismen: Die Sorge um die Sicherheit der Daten während des Austauschs und bei der Speicherung beim Empfänger führt zu Bedenken hinsichtlich des Schutzes vor unbefugtem Zugriff und Datenlecks.
  • Mangel an Datenqualität und Metadaten: Unzureichende Datenqualität und das Fehlen von Metadaten, die Informationen über Herkunft, Inhalt und Format der Daten liefern, erschweren die effektive Nutzung geteilter Daten.

Kulturelle Perspektive

  • Mindset und kulturelle Unterschiede: Eine risikoaverse Unternehmenskultur und Unterschiede in der Einstellung zum Datenaustausch erschweren die Bereitschaft, Daten zu teilen.
  • Mangel an Vertrauen in die angemessene Datennutzung: Das fehlende Vertrauen in die korrekte Verwendung der geteilten Daten ist eine zentrale Barriere.
  • Angst vor Kontrollverlust: Die Befürchtung, die Kontrolle über die eigenen Daten zu verlieren, hemmt Unternehmen daran, Daten zu teilen.

Regulatorische Perspektive

  • Rechtliche Compliance und Vertragsgestaltung: Die Notwendigkeit, individuelle Verträge auszuarbeiten und rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden, verlangsamt den Prozess des Datenaustauschs erheblich.
  • Unklare Datenbesitz- und Nutzungsrechte: Konflikte um Eigentums- und Nutzungsrechte von Daten erschweren die Entscheidungsfindung bezüglich des Datenaustauschs.
  • Gesetzliche Einschränkungen: Unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene stellen Hindernisse für den Datenaustausch dar.
  • Mangel an Standards, Richtlinien und Frameworks: Die Abwesenheit einheitlicher Standards und Richtlinien für den sicheren und vertrauenswürdigen Datenaustausch begrenzt die Bereitschaft von Unternehmen zur Datenfreigabe.

Diese Barrieren verdeutlichen die Komplexität und die vielschichtigen Herausforderungen, die Unternehmen beim Datenaustausch bewältigen müssen. Es wird deutlich, dass eine erfolgreiche Umsetzung von Datenaustauschprojekten eine umfassende Strategie erfordert, die alle diese Perspektiven berücksichtigt und adressiert.

Quelle: Fassnacht, M., Benz, C., Heinz, D., Leimstoll, J., & Satzger, G. (2023). Barriers to Data Sharing among Private Sector Organizations. In Hawaii International Conference on Systems Sciences (HICSS-56).

Baustein: Klassifikationsschema digitaler Innovationsplattformen für Zusammenarbeit im B2B-Bereich

Die Landschaft digitaler Innovationsplattformen für die Zusammenarbeit im B2B-Bereich ist vielfältig und komplex. Basierend auf einer Analyse von 63 realen Plattformfällen und bestehender Literatur lassen sich diese Plattformen anhand von drei wesentlichen Eigenschaften klassifizieren: Wertgenerierung, Architektur und Akteursökosystem. Diese Eigenschaften werden in 17 Dimensionen spezifiziert, die ein tiefgreifendes Verständnis der Unterscheidungsmerkmale ermöglichen.

Klassifikationsschema digitaler Innovationsplattformen für Zusammenarbeit im B2B-Bereich.

(1) Wertgenerierung auf digitalen B2B-Co-Creation Plattformen

Die Wertgenerierung digitaler B2B-Co-Creation Plattformen wird durch eine Reihe von Dimensionen charakterisiert, die das einzigartige Wertangebot der Plattform und die Art und Weise, wie dieser Wert geschaffen wird, beschreiben. Diese Dimensionen umfassen das Kernwertangebot, die Möglichkeiten zur Erweiterung der Plattform, das primäre Austauschmedium und die Einnahmeströme von Nutzern sowie Komplementoren.

(1a) Kernwertangebot

Das Kernwertangebot bezieht sich auf die zentralen Fähigkeiten, die von der Plattform angeboten werden:

  • Basisdienste für Geräteverbindung und -verwaltung: Einige Plattformen konzentrieren sich auf grundlegende Konnektivitäts- und Managementdienste, wie z.B. die Telekom Cloud of Things oder das Cisco Jasper Control Center.
  • Erweiterte Analysefähigkeiten: Plattformen wie Flutura Cerebra bieten zusätzlich fortgeschrittene Analysemöglichkeiten an.
  • Netzwerkorchestrierung: Optimierung der Zusammenarbeit und des Austauschs zwischen Plattformmitgliedern, oft im Kontext der Lieferkette, wie z.B. VW Discovery.
  • Austauschplattformen: Hier werden physische oder virtuelle Güter und Dienstleistungen gehandelt, z.B. im Telekom Data Intelligence Hub.
  • Cloud PaaS-Fähigkeiten: Bieten eine Sammlung vollständig verwalteter Tools zum Verbinden von Assets, Verwalten und Analysieren von Daten sowie Unterstützung der Entwicklung neuer Lösungen, wie z.B. Azure IoT oder AWS IoT Core.
  • IIoT-Enablement: Plattformen mit Konnektivitätsfähigkeiten, Datenanalyse, Tools für Entwickler und Anwendungen sowie Dienste im Bereich der industriellen Anwendungen, z.B. Siemens MindSphere oder ADAMOS.

(1b) Optionen zur Erweiterbarkeit

Diese Dimension beschreibt, wie Nutzer die Plattform nach ihren Bedürfnissen erweitern können:

  • Keine Erweiterbarkeit: Einige Plattformen erlauben keine Nutzererweiterungen, z.B. SupplyOn Railsupply.
  • Low-Code-Umgebung: Bietet eine hochabstrahierte Umgebung für Erweiterungen mit wenig Programmieraufwand, z.B. Flutura Cerebra.
  • Programmiercode-basierter Aufwand: Erfordert spezifische Programmiersprachen für Erweiterungen, z.B. Exosite Murano.
  • Open-Source-Ansatz: Die Plattform kann durch Open-Source-Schnittstellen und -Programmiersprachen erweitert werden, z.B. Kaa IoT.
  • Mehrfache Optionen: Einige Plattformen bieten verschiedene Erweiterungsmöglichkeiten an, z.B. GE Predix.

(1c) Medium des Austauschs

Diese Dimnesion unterscheidet verschiedene mögliche Medien des Austauschs:

  • Informationen: Der Austausch von Informationen charakterisiert einige Plattformen, z.B. SAP AIN.
  • Daten: Plattformen wie der Telekom Data Intelligence Hub fokussieren auf den Datenaustausch.
  • Dienstleistungen: Bei anderen Plattformen steht der Austausch von Dienstleistungen im Vordergrund, z.B. Homag tapio.
  • Mehrere Items: Ein simultaner Austausch verschiedener Elemente, einschließlich Kapazität und Dienstleistungen, wie z.B. bei Siemens MindSphere.

(1d) Einnahmeströme von Nutzern und Komplementoren

Hier werden verschiedene mögliche Einnahmeströme als Gegenleistung für das Plattformangebot unterschieden:

  • Kostenlos: Einige Plattformen bieten ihre Dienste kostenlos an, z.B. Lufthansa Technik Aviation Data Hub.
  • Freemium-Modelle: Grundfunktionalitäten kostenlos, Gebühren für zusätzliche Dienste, z.B. Siemens Healthineers teamplay.
  • Transaktionsbasiert: Gebühren für verschiedene Arten von Transaktionen, z.B. HPE Universal IoT Platform.
  • Abonnementbasiert: Nutzer zahlen eine feste Abonnementgebühr, z.B. ABB Ability.
  • Hybridmodell: Kombination aus Abonnement- und transaktionsbasierten Modellen, z.B. Bosch IoT Suite.
  • Lizenzmodell: Einige Plattformen bieten ein Lizenzmodell an, z.B. BEDM Industrie 4.0 Framework.
  • Mehrfache Optionen: Einige Plattformen bieten verschiedene mögliche Einnahmeströme an, z.B. SAP Cloud Platform.

(2) Plattformarchitektur digitaler B2B-Co-Creation Plattformen

Die Architektur digitaler Innovationsplattformen für B2B-Co-Creation definiert das fundamentale organisatorische Layout der Plattform, einschließlich ihrer Komponenten und Steuerungsprinzipien. Diese Dimensionen beleuchten, wie die Plattform in die IT-Systeme von Unternehmen integriert wird, welche Unterstützung den Teilnehmern geboten wird und wie die Plattform hinsichtlich Offenheit konzipiert ist.

(2a) Plattformintegration

Die Integration der Plattform in die IT-Systeme eines Unternehmens kann verschiedene Formen annehmen:

  • Vertikale Integration: Verschiedene IT-Systeme werden auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen integriert (Sensor-zu-ERP), z.B. HPE Universal IoT Platform oder Cisco Jasper Control Center.
  • Horizontale Integration: Integration verschiedener IT-Systeme, die in unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette verwendet werden, z.B. Crowdfox.
  • End-to-End-Integration: Kombiniert horizontale und vertikale Integration, z.B. Software AG Cumulocity IoT.
  • Stand-Alone-Lösung: Die Plattform ist nicht in das IT-System des Unternehmens integriert, z.B. Telekom Data Intelligence Hub.

(2b) Plattformoffenheit

Die Offenheit der Plattform bezieht sich darauf, wie offen die Plattform für externe Modifikationen am zugrundeliegenden Code und die Integration mit der Plattform ist:

  • Vollständig proprietär: Externe Entwickler haben keinen Zugang zur Modifikation des Plattformcodes oder zum Datenaustausch über Open-Source-basierte Schnittstellen.
  • Hardware proprietär: Nur spezifische Geräte können in die Plattform integriert werden, z.B. Schaeffler Smart Ecosystem.
  • Software proprietär: Die Plattform kann auf jedem Gerät ausgeführt werden, aber der Plattformcode ist nicht offen zugänglich, z.B. PTC Thingworx.
  • Open-Source-Ansatz: Die Plattform kann auf jedem Drittgerät ausgeführt werden, und der Plattformcode ist für externe Modifikationen offen, z.B. ADAMOS.

(2c) Entscheidungsoffenheit

Diese Dimension beschreibt, wer die Entscheidungsgewalt innerhalb der Plattform hält:

  • Von einer Leitorganisation geführt: Alle Schlüsselentscheidungen werden von einem einzigen teilnehmenden Mitglied getroffen, in der Regel dem Plattformbesitzer, was zu einer stark zentralisierten und asymmetrischen Machtverteilung führt, z.B. Siemens MindSphere, Telekom Data Intelligence Hub.
  • Teilnehmergeführt: Oft regieren die Plattformmitglieder selbst die Plattform, was in strategischen Allianzen oder Partnerschaften der Fall ist, z.B. ADAMOS, DKE Agrirouter.

(2d) Komplementäroffenheit

Diese Dimension erfasst, wie offen die Plattform für Komplementoren ist:

  • Vollständig geschlossen: Erlaubt überhaupt keine Komplementoren, z.B. ZF Openmatics.
  • Offen: Jeder Komplementor kann frei beitreten, z.B. DeviceHive IoT.
  • Bedingt offen: Der Plattformbesitzer legt spezifische Bedingungen fest, unter denen Komplementoren beitreten und ihre Dienste auf der Plattform anbieten können, z.B. Ayla Agile IoT Platform.
  • Selektiv offen: Der Plattformbesitzer lädt ausgewählte Partner zum Beitritt ein, z.B. Flutura Cerebra.

(2e) Unterstützungsarten

Die Art der Unterstützung, die Plattformen für ihre Teilnehmer anbieten, variiert stark:

  • Nicht-personelle technische Unterstützung: Bereitstellung von Dokumentation und Online-Foren, z.B. Flutura Cerebra.
  • Zusätzliche personelle technische Unterstützung: Teams für technischen Support, z.B. Lufthansa Technik Aviatar.
  • Vollständige persönliche technische und geschäftliche Unterstützung: Einschließlich Beratungsdienstleistungen in Bezug auf die Plattform, z.B. DeviceHive IoT.

(3) Akteursökosystem digitaler B2B-Co-Creation Plattformen

Das Akteursökosystem beschreibt die Teilnehmer einer Plattform und ihre Rollen. Es bietet einen Überblick über die Herkunft der Plattform, die geografische sowie Branchenausrichtung, den Plattformbesitzer und dessen Hintergrund sowie die Komplementoren, einschließlich der Anreize für ihre Teilnahme.

(3a) Industriefokus

Diese Dimension erfasst, ob sich eine Plattform auf eine einzelne oder mehrere Industrien fokussiert:

  • Einzelne vertikale Industrien: Plattformen, die sich auf eine spezifische Branche konzentrieren, wie z.B. diskrete Fertigung, Luftfahrt und Gesundheitswesen (z.B. Siemens Healthineers Teamplay).
  • Mehrere vertikale Industrien: Plattformen, die gleichzeitig mehrere Branchen ansprechen (z.B. PTC Thingworx).

(3b) Herkunft der Lösung

Diese Dimension unterscheidet die Herkunft der Plattformlösung:

  • Entwickelt für internen Gebrauch: Einige Plattformen wurden ursprünglich für den internen Gebrauch innerhalb eines Unternehmens entwickelt und später externen Kunden angeboten (z.B. GE Predix, Thyssenkrupp toii).
  • Entwickelt für externe Kunden: Andere Plattformen wurden explizit als externe Kundenlösungen entwickelt, entweder mit Fokus auf das primäre Expertisegebiet des Plattformbesitzers (z.B. Siemens MindSphere) oder auf einen neuen Domänenfokus (z.B. Software AG Cumulocity IoT).

(3c) Geografische Verteilung

Plattformen können verschiedene Grade der geografischen Verteilung aufweisen:

  • Länderspezifisch: Plattformen mit Fokus auf ein spezifisches Land (z.B. Hitachi Lumada).
  • Regionalspezifisch: Plattformen, die sich auf eine bestimmte Region wie DACH oder Südostasien konzentrieren (z.B. Davra IoT Platform).
  • International: Plattformen, die eine internationale Strategie verfolgen (z.B. Homag tapio).

(3d) Plattformbesitzer

Hier werden verschiedene mögliche Szenarien, wer die Plattform besitzt unterschieden:

  • KMU (Kleine und mittlere Unternehmen): Diese Kategorie umfasst Plattformen, die von kleineren Unternehmen geführt werden, die oft agil und innovativ in Nischenmärkten agieren (z.B. Flutura).
  • Großunternehmen: Großunternehmen wie Siemens sind Eigentümer von Plattformen, die durch ihre umfangreichen Ressourcen und weitreichenden Kundenbeziehungen eine starke Marktposition haben.
  • Joint Ventures: Plattformen, die aus der Zusammenarbeit von zwei oder mehr Unternehmen entstehen, wie DKE Agrirouter, nutzen gemeinsame Ressourcen und Expertise für spezialisierte Lösungen.
  • Open Source: Plattformen aus Open-Source-Projekten, wie DeviceHive IoT, fördern die Transparenz und Kollaboration in der Entwicklung und bieten oft flexible Anpassungsmöglichkeiten.

(3e) Hintergrund des Plattformbesitzers

Der industrielle Hintergrund des Plattformbesitzers gilt als weiteres qualifizierendes Merkmal:

  • IT und Softwaresysteme: Eigentümer mit einem Schwerpunkt auf IT und Software, wie SAP Cloud Platform, bringen technologisches Know-how ein, das die Entwicklung fortschrittlicher Plattformfunktionen ermöglicht.
  • Automatisierung, Steuerung und Ausrüstungssysteme: Eigentümer aus dem Bereich der Automatisierungstechnik, wie Bosch IoT Suite, bieten Plattformen, die speziell auf die Bedürfnisse der industriellen Automatisierung zugeschnitten sind.
  • Telekommunikation und Carrier-Systeme: Besitzer aus der Telekommunikationsbranche, wie der Telekom Data Intelligence Hub, nutzen ihre Netzwerkinfrastruktur, um datenintensive Plattformlösungen anzubieten.
  • Luft- und Raumfahrt: Eigentümer aus der Luft- und Raumfahrt, wie Lufthansa Technik Aviatar, bieten Plattformen mit spezialisierten Lösungen für die Luftfahrtindustrie an.
  • Automobil: Eigentümer aus der Automobilbranche, wie ZF Openmatics, konzentrieren sich auf Plattformlösungen, die die Besonderheiten der Automobilindustrie adressieren.
  • Emergente Innovatoren: Neue Marktteilnehmer, wie QiO Foresight, treten als Eigentümer von Plattformen auf, die innovative Ansätze und Technologien in den Markt bringen.
  • Gemischte Hintergründe: In Joint Ventures wie ADAMOS können auch Akteure aus verschiedene Hintergründen bzw. Wertschöpfungsschwerpunken gemeinsam eine Plattformlösung anbieten.

(3f) Komplementortypen

Beschreibt die Arten von Komplementären, die auf der Plattform aktiv sind. Diese drei Arten von Komplementären können in fünf verschiedenen Kombinationen oder gar nicht auftreten, was der Fall ist, wenn der Plattformbetreiber alle Dienste selbst anbietet.

  • Technologiepartner: Diese Gruppe umfasst Entwickler von Software und Hardware sowie Cloud-Infrastrukturanbieter. Sie ergänzen die Plattform durch technologische Innovationen und Lösungen, die direkt in die Plattform integriert oder als zusätzliche Optionen angeboten werden.
  • Integrationsunterstützung: Systemintegratoren und Beratungsfirmen fallen in diese Kategorie. Sie helfen Unternehmen bei der technischen Implementierung der Plattformlösungen und bieten geschäftliche Beratung an, um den maximalen Nutzen aus der Plattform herauszuholen.
  • Ressourcenintegratoren: Diese Komplementoren liefern tangible und intangible Ressourcen wie Daten, physische Produkte, Fertigungskapazitäten oder Finanzierung. Ihre Beiträge sind entscheidend für die Erweiterung der Funktionalitäten und den Gesamtwert der Plattform.

(3g) Teilnahmeanreize

Plattformen können verschiedene Anreize zur Teilnahme am Angebot der Plattform bieten:

  • Keine expliziten Anreize: Manche Plattformen, wie Lufthansa Technik Aviatar, setzen keine spezifischen Anreize für die Teilnahme von Komplementoren. Die Entscheidung zur Teilnahme basiert somit auf anderen Faktoren wie Marktzugang oder Sichtbarkeit.
  • Nicht-monetäre Anreize: Umfasst Unterstützungsleistungen wie Verkaufs- und technische Schulungen, Zugang zu Entwicklertools oder technischem Support. Plattformen wie QiO Foresight nutzen solche Anreize, um Komplementoren zur Teilnahme zu bewegen und deren Beitrag zum Ökosystem zu fördern.
  • Monetäre und nicht-monetäre Anreize: Einige Plattformen bieten eine Kombination aus monetären (z.B. Rabatte, Zugang zu Geschäftsentwicklungsfonds) und nicht-monetären Anreizen. Dieser Ansatz, wie bei Siemens MindSphere praktiziert, zielt darauf ab, ein breites Spektrum von Komplementoren anzuziehen und deren langfristige Bindung an die Plattform zu sichern.

Beispielhafte Anwendung des Klassifikationsschemas

Um die mögliche Anwendung des Klassifikationsschemas für digitale B2B-Co-Creation Plattformen zu demonstrieren, wurde eine umfassende Evaluation durchgeführt. Diese Evaluation involvierte acht Experten, die sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Perspektive ausgewählt wurden, um zwei reale Plattformen – Siemens MindSphere und Telekom Data Intelligence Hub – mit dem Schema zu klassifizieren. Diese beiden Plattformen wurden aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit und der umfangreichen öffentlich verfügbaren Informationen ausgewählt. Besonders hervorzuheben ist in den Evaluationsergebnissen die hohe Übereinstimmung der Klassifikation zwischen den Experten (Siemens Fall: 69,9%, Telekom Fall: 70,1%), was die Konsistenz des Schemas unterstreicht. Zudem ist in der nachfolgenden Abbildung die Häufigkeit der verschiedenen Merkmale über all untersuchten Fälle hinweg dargestellt.

Beispielhafte Anwendung des Klassifikationsschemas.

Fallbeispiel: Siemens MindSphere

Siemens MindSphere ist eine internationale IIoT-Plattform, die in mehreren vertikalen Industrien operiert. Sie bietet umfangreiche Wertschöpfungsmöglichkeiten durch end-to-end Integration, eine Low-Code-Umgebung und die Möglichkeit, Open-Source-Software zu integrieren. Die Plattform ermöglicht es Kunden, ihre Maschinen und Ausrüstungen anzubinden, um Daten und wertsteigernde Dienstleistungen auszutauschen. Das Ökosystem umfasst Siemens als Großunternehmen, Kunden aus dem Expertisebereich von Siemens (z.B. Automatisierung, Steuerung und Ausrüstungssysteme) sowie Technologiepartner und Komplementoren, die Integrationsunterstützung bieten. Komplementoren erhalten sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Anreize zur Teilnahme, müssen jedoch bestimmte Bedingungen erfüllen und eine Abonnementgebühr entrichten.

Fallbeispiel: Telekom Data Intelligence Hub

Im Gegensatz dazu fokussiert der Telekom Data Intelligence Hub, eine internationale Plattform, auf den Datenaustausch. Telekom, mit einem Hintergrund in Telekommunikations- und Carrier-Systemen, behält die alleinige Entscheidungskontrolle über die Plattform, die von einem breiten Spektrum an Kunden genutzt wird, die hauptsächlich außerhalb von Telekoms Kernexpertise liegen. Nutzer können die Plattform durch Open-Source-Schnittstellen erweitern, externe Entwickler dürfen jedoch den zugrundeliegenden Code nicht erweitern. Alle Arten von Komplementoren können ohne Bezahlung beitreten, wobei Telekom keine expliziten Teilnahmeanreize bietet.

Die Anwendungsdemonstration des Klassifikationsschemas verdeutlicht die Vielfalt und Unterschiedlichkeit digitaler B2B-Co-Creation Plattformen. Besonders auffällig ist die häufige Präsenz der Kernwertangebote Cloud PaaS und IIoT Enablement. Die Mehrheit der Plattformen (57%) bietet mindestens eine Option zur Erweiterbarkeit, und die Einnahmemodelle variieren stark, tendieren jedoch zu abonnementbasierten Modellen. Bei der Plattformarchitektur dominiert die end-to-end Integration und ein Open-Source-Ansatz zur Plattformoffenheit. Diese Evaluation und die Fallbeispiele unterstreichen die praktische Anwendbarkeit und die Fähigkeit des Klassifikationsschemas, B2B-Co-Creation Plattformen präzise zu charakterisieren, was für Entscheidungsträger in Unternehmen wertvolle Orientierungshilfen bietet.

Quelle: Abendroth, J., Riefle, L., & Benz, C. (2021). Opening the black box of digital B2B co-creation platforms: a taxonomy. In Innovation Through Information Systems: Volume II: A Collection of Latest Research on Technology Issues (pp. 596-611). Springer International Publishing.

Baustein: Virtuelle Sensoren zur Verfügungsstellung und Nutzung von aggregierten Sensordaten

Die rasante Entwicklung der Sensortechnologie, begünstigt durch sinkende Kosten und erhöhte Konnektivität, treibt die Verbreitung und Komplexität des Internets der Dinge (IoT) und sogenannter cyber-physischer Systeme voran. Heutzutage speisen Milliarden von Sensoren Informationssysteme mit Daten über physische Phänomene wie Temperatur, Druck, Feuchtigkeit und mehr. Diese Daten sind ein wesentlicher Baustein für KI-basierte Informationssysteme, die maschinelles Lernen nutzen und auf Analysen basierende Lösungen generieren. Insbesondere bilden Sensordaten die Grundlage für digitale Zwillinge, die als digitale Duplikate realer Vermögenswerte in der physischen Welt auf kontinuierlicher Datenerfassung durch Sensortechnologie beruhen. Die rasante Zunahme von Sensoren und deren Daten unterstreicht die Bedeutung und das Potenzial, das in der intelligenten Nutzung dieser Technologien liegt. Die Herausforderung besteht darin, aus der Fülle an Rohdaten sinnvolle Informationen zu extrahieren und nutzbar zu machen.

Physische vs. Virtuelle Sensoren

Sensoren als technische Geräte erfassen kontinuierlich Signale aus ihrer Umgebung. Während physische Sensoren direkt auf Stimuli wie Temperatur oder Druck reagieren und diese über elektrische Signale übertragen, bieten virtuelle Sensoren eine innovative Ergänzung. Diese rein softwarebasierten Sensoren aggregieren und analysieren Daten von einem oder mehreren physischen Sensoren und schaffen so neue Möglichkeiten zur Datennutzung und -verarbeitung. Virtuelle Sensoren können Limitationen physischer Sensoren überwinden, wie beispielsweise hohe Kosten, Signalrauschen, Genauigkeitsverlust über Zeit oder technische Einschränkungen durch räumliche oder umweltbedingte Bedingungen.

Die Anwendung virtueller Sensoren erstreckt sich von der einfachen Aggregation und Reinigung von Sensordaten bis hin zur Messung von nicht direkt erfassbaren Zuständen oder Eigenschaften. Dies eröffnet neue Wege zur Überwachung und Steuerung komplexer Systeme und Prozesse. Beispielsweise können virtuelle Sensoren in digitalen Zwillingen genutzt werden, um eine kontinuierliche und präzise Abbildung eines physischen Assets zu gewährleisten, was eine effizientere Prozesssteuerung und präventive Wartungsstrategien ermöglicht.

Verschiedene mögliche Konstellationen von virtuellen Sensoren.

Eine der größten Herausforderungen bei der Nutzung physischer Sensoren sind die damit verbundenen Kosten, nicht nur in Bezug auf die Anschaffung, sondern auch auf die Wartung und den Ersatz. Zudem können physische Sensoren aufgrund von räumlichen Einschränkungen, Umweltbedingungen oder der Notwendigkeit, nicht direkt messbare Variablen zu erfassen, an ihre Grenzen stoßen. Virtuelle Sensoren bieten eine innovative Lösung für diese Herausforderungen, indem sie Daten von einem oder mehreren physischen Sensoren aggregieren und verarbeiten, um neue Einsichten zu gewinnen oder indirekt messbare Variablen abzuleiten. Sie bieten folgende Vorteile:

  1. Kosteneffizienz: Virtuelle Sensoren reduzieren die Notwendigkeit, jedes Asset mit physischen Sensoren auszustatten, was die Gesamtkosten für die Überwachung und Steuerung von Systemen senkt.
  2. Flexibilität und Skalierbarkeit: Durch die Software-Natur virtueller Sensoren können sie leicht angepasst, aktualisiert oder neu konfiguriert werden, um unterschiedliche Anforderungen zu erfüllen, ohne dass physische Eingriffe notwendig sind.
  3. Erweiterte Messmöglichkeiten: Virtuelle Sensoren können Bedingungen oder Variablen erfassen, die physisch nicht direkt messbar sind, indem sie Daten aus verschiedenen Quellen kombinieren und analysieren.
  4. Verbesserte Zuverlässigkeit und Genauigkeit: Durch die Aggregation und Verarbeitung von Daten mehrerer Sensoren können virtuelle Sensoren Unzulänglichkeiten einzelner physischer Sensoren wie Rauschen oder Drifts kompensieren.
  5. Förderung der Zusammenarbeit: Virtuelle Sensoren können leichter zwischen verschiedenen Systemen und Organisationen geteilt werden, wodurch die Grundlage für kooperative Anwendungen und Dienste geschaffen wird.

Virtuelle Sensoren repräsentieren einen bedeutenden Fortschritt in der Art und Weise, wie Daten in der vernetzten Welt gesammelt, analysiert und genutzt werden. Durch die Überwindung der Einschränkungen physischer Sensoren ermöglichen sie eine kosteneffiziente, flexible und tiefgreifende Analyse der physischen Welt, was die Grundlage für innovative Lösungen und verbesserte Entscheidungsfindung in einer Vielzahl von Anwendungsbereichen bildet.

Ein Beispiel für die Anwendung virtueller Sensoren ist die Überwachung der Luftqualität in Städten. Anstatt in jedem Stadtteil physische Sensoren zu installieren, könnten vorhandene Datenquellen wie Wetterstationen, Verkehrsinformationen und Satellitendaten kombiniert werden, um ein detailliertes Bild der Luftqualität zu erstellen. Ein weiteres Beispiel ist die präventive Wartung in der Industrie. Virtuelle Sensoren können Daten aus verschiedenen Quellen wie Maschinensensoren, Produktionsplänen und historischen Wartungsdaten zusammenführen, um den optimalen Zeitpunkt für Wartungsarbeiten vorherzusagen.

Schlüsselmerkmale virtueller Sensoren

Virtuelle Sensoren stellen eine transformative Komponente in der Architektur moderner Informations- und Überwachungssysteme dar. Sie ermöglichen es, komplexe, dynamische und vielschichtige Datenströme aus der realen Welt in nutzbare Informationen umzuwandeln, die für die Überwachung, Steuerung und Optimierung von Prozessen verwendet werden können. Im Folgenden wird das Konzept der virtuellen Sensoren vertieft und in verschiedene Anwendungsebenen untergliedert.

Ein virtueller Sensor besteht aus mehreren Kernkomponenten:

  • Asset: Das Beobachtungsobjekt, welches physisch oder soziotechnisch sein kann, wie beispielsweise Maschinen, Fahrzeuge oder auch das Gesundheitszustand eines Patienten.
  • Datenquellen: Diese können sowohl von physischen Sensoren als auch von anderen virtuellen Sensoren stammen. Die Vielfalt und Dynamik der Datenquellen ermöglichen eine umfassende Erfassung des Zustands eines Assets.
  • Datenfusionsfunktion: Eine Schlüsselkomponente, die die Rohdaten aus den verschiedenen Quellen verarbeitet und in eine aussagekräftige Output-Variable umwandelt. Diese Funktion kann von einfachen mathematischen Operationen bis hin zu komplexen maschinellen Lernverfahren reichen.
  • Abgeleitete Messungen: Das Ergebnis der Datenfusionsfunktion, das in Form von Zeitreihendaten vorliegen kann und direkt dem beobachteten Asset zugeordnet wird.
  • Digitaler Zwilling: Eine digitale Repräsentation des Assets, die die von den virtuellen Sensoren generierten Daten integriert und verwaltet. Der digitale Zwilling dient als Schnittstelle zwischen der virtuellen und der realen Welt und ermöglicht eine bidirektionale Datensynchronisation.
Zusammenfassung des Konzepts des virtueller Sensoren.

Die Anwendungsebenen von virtuellen Sensoren reichen von einfachen, direkten Spiegelungen physischer Sensordaten bis hin zu komplexen, dynamischen Fusionen verschiedener Datensätze. Während die Sensorvirtualisierung eine direkte, wenn auch möglicherweise verbesserte Darstellung von Sensordaten bietet, erlauben höhere Ebenen des Sensings eine präzisere und zuverlässigere Erfassung und Interpretation von Umgebungsbedingungen. Das konkurrenzfähige Sensing erhöht die Genauigkeit durch Redundanz, während das statische und dynamische kooperative Sensing durch die Integration verschiedener Datentypen und die flexible Anpassung an Veränderungen eine tiefere Ebene der Datenanalyse und -interpretation ermöglicht. Diese fortschrittlichen Anwendungen virtueller Sensoren bieten einen erheblichen Mehrwert für komplexe Systeme, indem sie die Effizienz steigern, die Wartung optimieren und neue Möglichkeiten für prädiktive Analysen und automatisierte Entscheidungsfindung eröffnen. Hier eine detaillierte Gegenüberstellung dieser Ebenen:

  1. Sensorvirtualisierung: Auf der einfachsten Ebene nimmt die Sensorvirtualisierung Daten von einem einzigen physischen Sensor auf und spiegelt diese Daten entweder unverändert oder in modifizierter Form. Diese Art von virtuellem Sensor ist weit verbreitet, da Fortschritte in der Kommunikationstechnologie und erhöhte Bandbreite die digitale Verfügbarkeit von Sensordaten über Cloud-Infrastrukturen ermöglichen. Ein typisches Beispiel ist der Schrittzähler in Smartphones, der den Ausgangssignal eines Beschleunigungsmessers nutzt, um die Anzahl der Schritte zu zählen.
  2. Konkurrenzfähiges Sensing: Bei dieser Konfiguration liefern mehrere Sensoren unabhängige Messungen derselben Eigenschaft. Dies kann die Gesamtgenauigkeit erhöhen und gleichzeitig die Unsicherheit sowie das Datenvolumen reduzieren, da weniger Daten übertragen werden müssen. Mehrere Sensoren, die redundante Informationen bereitstellen, können auch die Zuverlässigkeit bei einem Sensorausfall oder einer Fehlfunktion erhöhen. Ein Beispiel hierfür ist die Nutzung von zwei Mikrofonen zur Verbesserung der Audioqualität in Freisprechanlagen.
  3. Statisches Kooperatives Sensing: Diese Ebene nutzt Daten von mehreren unabhängigen Sensoren, um Informationen abzuleiten, die aus einer isolierten Betrachtung nicht verfügbar wären. Geeignete Fusionsfunktionen für das kooperative Sensing weisen oft eine höhere Komplexität aufgrund der Beteiligung unterschiedlicher Sensortypen auf. Ein Beispiel ist ein neuronales Netzwerk, das NOx auf Zylinderebene vorhersagt, basierend auf individuellen Zylinderdrücken und einem nachgeschalteten, zylinderaggregierten NOx-Sensor.
  4. Dynamisches Kooperatives Sensing: Diese Ebene passt sich flexibel an systemische Veränderungen an, wenn die permanente Verfügbarkeit physischer Sensoren nicht garantiert ist. Gründe hierfür können dynamische Veränderungen im System selbst sein oder die begrenzte Verfügbarkeit physischer Sensoren aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen. Dynamisches kooperatives Sensing erfordert eine komplexe Fusionsfunktion, die in der Lage ist, die dynamische Verfügbarkeit von Merkmalen angemessen zu berücksichtigen. Ein Beispiel ist die Erkennungsfunktion für Fußgänger in autonomen Fahrzeugen, die sich bei gutem Wetter auf Kamerasignale verlassen kann, nicht jedoch bei Nebel oder in der Nacht.
Anwendungsebenen von virtuellen Sensoren.

Systemdenken für den effektiven Einsatz virtueller Sensoren

Das Konzept der virtuellen Sensoren spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung effektiver und effizienter cyber-physischer Systeme und IoT-basierter Lösungen. Die Anwendungsebenen virtueller Sensoren, von der einfachen Sensorvirtualisierung bis hin zu dynamischen kooperativen Sensing-Ansätzen, verdeutlichen die Vielfalt der Möglichkeiten, Daten aus der physischen Welt zu erfassen und zu nutzen. Der effektive Einsatz dieser Technologien erfordert jedoch ein tiefes Verständnis für Systemdenken und die Fähigkeit, über traditionelle Systemgrenzen hinaus zu agieren.

Das Systemdenken betont die Notwendigkeit, Datenquellen über einzelne Vermögenswerte und organisatorische Einheiten hinweg zu integrieren, um die Genauigkeit, Zuverlässigkeit und den Informationswert virtueller Sensoren zu erhöhen. Dieser integrative Ansatz ermöglicht es, Verbindungen und Korrelationen zwischen individuellen Systemkomponenten zu erkennen und zu nutzen, was wiederum neue Wege für die Gestaltung von Informationssystemen und die gemeinsame Wertschöpfung eröffnet. Der effektive Einsatz virtueller Sensoren stellt Organisationen vor die Herausforderung, die Systemgrenzen zu erweitern und interoperable, vernetzte Lösungen zu entwickeln. Dies erfordert nicht nur technische Lösungen für die Standardisierung von Daten, den Austauschplattformen und die Kommunikationsbandbreite, sondern auch einen kulturellen Wandel in der Wahrnehmung von Daten als wertvolle Ressource, die geteilt und kommerzialisiert werden kann, um gegenseitige Vorteile zu schaffen. Ein illustratives Beispiel für den potenziellen Nutzen dieser Ansätze ist die Nutzung von Regensensordaten aus Fahrzeugflotten, um lokale Wettervorhersagemodelle zu verbessern. Solche Szenarien verdeutlichen die Notwendigkeit einer IoT-Plattform, die in der Lage ist, eine Vielzahl von Daten von verschiedenen Akteuren sicher zu verwalten, den Zugang zu diesen Daten zu regeln und die Datenquellen effizient zu filtern.

Die Entwicklung effektiver virtueller Sensoren erfordert ein Systemdenken, das darauf abzielt, Datenquellen über Vermögenswerte und Organisationen hinweg zu nutzen. Der Zugriff auf eine breitere Datenbasis kann die Leistung von Sensoren verbessern und die Entwicklung komplexerer virtueller Sensoren ermöglichen, die Verbindungen und Korrelationen zwischen einzelnen Systemkomponenten nutzen. Dies öffnet neue Wege für die Gestaltung von Informationssystemen und die gemeinsame Wertschöpfung. Die Erweiterung der Systemgrenzen um zusätzliche Ressourcen aus dem erweiterten System kann die Genauigkeit und Leistung virtueller Sensoren erhöhen, erfordert jedoch auch die Entwicklung von Designwissen und konkreten Methoden zur systematischen Entwicklung virtueller Sensorkonzepte über Vermögenswerte und Organisationen hinweg. Dazu gehören auch die wirtschaftliche Bewertung der Vorteile höherer Präzision und die Kosten für die Erweiterung der Systemgrenzen. Zusammenfassend ist der Einsatz virtueller Sensoren ein vielversprechender Ansatz, um die Herausforderungen physischer Sensoren zu überwinden und gleichzeitig die Grundlage für fortgeschrittene cyber-physische Systeme und IoT-basierte Lösungen zu legen. Die Entwicklung und Anwendung virtueller Sensoren erfordert jedoch ein tiefgreifendes Verständnis der zugrundeliegenden Technologien, der Systemintegration und der Datenverarbeitung.

Quelle: Martin, D., Kühl, N., & Satzger, G. (2021). Virtual sensors. Business & Information Systems Engineering, 63, 315-323.

Baustein: Referenzarchitektur für Industrielle IoT-Netzwerke

Die Erstellung einer Referenzarchitektur für industrielle IoT-Netzwerke (IIoT) zielt darauf ab, den vielfältigen und komplexen Anforderungen moderner Fertigungs- und Produktionsumgebungen gerecht zu werden. Durch die Integration von Software-Defined Networking (SDN) und Network Functions Virtualization (NFV) in das Design, adressiert die Architektur spezifische Herausforderungen wie Qualitätssicherung der Dienste, Netzwerksegmentierung, Zuverlässigkeit, Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit, Nachrüstbarkeit, Rekonfigurierbarkeit, Zugänglichkeit und Anpassungsfähigkeit. Diese Aspekte sind entscheidend, um den zukünftigen Anforderungen von Industrie 4.0 und Smart Factory-Umgebungen gerecht zu werden, in denen eine hohe Konnektivität, Echtzeitdatenverarbeitung und -analyse sowie eine flexible und effiziente Produktionssteuerung erforderlich sind.

  • Qualitätssicherung der Dienste (Quality of Service - QoS) ist von zentraler Bedeutung für IIoT-Anwendungen, da unterschiedliche Anwendungen unterschiedliche Anforderungen an die Netzwerkleistung stellen können. Durch die Priorisierung des Verkehrs und die Kontrolle der Ressourcen im Netzwerk kann eine differenzierte Behandlung verschiedener Datenströme sichergestellt werden.
  • Netzwerksegmentierung ermöglicht eine verbesserte Sicherheit und Effizienz, indem Geräte in logisch getrennte Segmente gruppiert werden. Dies ist besonders wichtig, da industrielle Kommunikationsprotokolle oft keine kryptografischen Sicherheitsmechanismen unterstützen.
  • Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit sind für IIoT-Netzwerke entscheidend, um sicherzustellen, dass Informationen zuverlässig übertragen werden und das Netzwerk jederzeit für seinen eigentlichen Zweck verfügbar ist. Redundanzen in der Netzwerkarchitektur tragen dazu bei, Ausfälle zu minimieren und eine hohe Verfügbarkeit zu gewährleisten.
  • Die Vertraulichkeit und Integrität der übertragenen Daten muss durch Mechanismen wie Benutzerauthentifizierung und -autorisierung sowie durch technische Maßnahmen zur Erkennung und Neuausrichtung fehlerhafter Daten gewährleistet werden.
  • Nachrüstbarkeit und Rekonfigurierbarkeit sind weitere wichtige Aspekte, die die Integration älterer Geräte in moderne IIoT-Netzwerke ermöglichen und die Anpassung des Netzwerks an veränderte Anforderungen ohne erheblichen operativen Aufwand ermöglichen.
  • Zugänglichkeit und Anpassungsfähigkeit sorgen dafür, dass Netzwerkressourcen ferngesteuert überwacht und gewartet werden können und dass das Netzwerk flexibel genug ist, um Entwicklungen in der Kommunikationstechnologie, Sicherheitsanforderungen und anderen Bereichen zu berücksichtigen.

Die vorgeschlagene Referenzarchitektur für industrielle IoT-Netzwerke (IIoT) integriert fortschrittliche Technologien und Designprinzipien, um den vielfältigen Anforderungen moderner industrieller Umgebungen gerecht zu werden. Im Zentrum stehen die Konzepte des Software-Defined Networking (SDN) und der Network Functions Virtualization (NFV), die zusammen ein flexibles, skalierbares und sicheres Netzwerkumfeld schaffen. Die Architektur ist darauf ausgelegt, die Anforderungen hinsichtlich Qualitätssicherung der Dienste, Netzwerksegmentierung, Zuverlässigkeit, Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit, Nachrüstbarkeit, Rekonfigurierbarkeit, Zugänglichkeit und Anpassungsfähigkeit zu erfüllen.

Grundlagen: Software Defined Networking und Network Function Virtualization

Software Defined Networking (SDN)

Software Defined Networking (SDN) repräsentiert ein innovatives Netzwerkparadigma, das darauf abzielt, die Steuerungsebene von der Datenebene (auch Infrastrukturebene genannt) in Netzwerken zu entkoppeln. Diese Entkopplung ermöglicht eine direkte Programmierbarkeit der Netzwerkfunktionen und vereinfacht so die Netzwerksteuerung und -verwaltung erheblich. Die typische SDN-Architektur lässt sich in drei Schichten gliedern: die Datenebene, die Steuerungsebene und die Anwendungsebene.

  • Datenebene: Auch als Weiterleitungsebene bekannt, umfasst Software- oder Hardware-Switches und andere physische Geräte, die für die Weiterleitung von Paketen im Netzwerk verantwortlich sind, basierend auf Regeln, die von einem SDN-Controller auf der Steuerungsebene definiert und verteilt werden.
  • Steuerungsebene: Beinhaltet die Logik, Protokolle und Steuerungsfunktionen des Netzwerks, die die Weiterleitung auf der Datenebene kontrollieren. Die Steuerungsebene verwaltet Netzwerkflüsse durch Switches und Router über die Southbound-Schnittstelle, während die Northbound-Schnittstelle für die Kommunikation mit der Anwendungsebene genutzt wird.
  • Anwendungsebene: Besteht aus Softwareanwendungen, die die Northbound-Schnittstelle nutzen, um eine abstrakte Netzwerkansicht zu erhalten und das Verhalten des Netzwerks über SDN-Controller zu steuern. Dies ermöglicht die Orchestrierung der Datenebene für komplexe Aufgaben wie Topologieerkennung, Lastverteilung und die Durchsetzung von Firewall-Regeln.
Softwaredefinierte Netzwerkschichten auf Basis der Open Network Foundation.

Network Function Virtualization (NFV)

Parallel zu SDN bietet der Trend zur Virtualisierung von Netzwerkfunktionen, bekannt als Network Function Virtualization (NFV), enormes Potenzial zur Verbesserung der Bereitstellung vernetzter Anwendungen. NFV zielt darauf ab, Netzwerkdienste wie Firewalls, die üblicherweise als dedizierte Hardware-Systeme im Netzwerk eingesetzt werden, zu virtualisieren.

  • Virtualisierte Netzwerkfunktionen: Umfassen Softwareimplementierungen von Netzwerkfunktionen, die auf NFV-Infrastruktur ausgeführt werden. Diese Infrastruktur besteht aus Hardware- und Softwarekomponenten, die über mehrere physische Standorte verteilt sein können. Eine Virtualisierungsschicht abstrahiert die Hardware-Ressourcen und entkoppelt ihre Rechen-, Speicher- und Netzwerkfunktionen.
  • Vorteile von NFV: Bietet Flexibilität, Skalierbarkeit und Resilienz der Ressourcen. Da Netzwerkelemente nicht mehr aus einer Kombination von integrierter Hardware und Software bestehen, können beide Elemente unabhängig voneinander entwickelt werden. Die Trennung von Hardware und Software gewährleistet, dass sie zu unterschiedlichen Zeiten verschiedene Funktionen ausführen können und dynamisch sowie mit feinerer Granularität skaliert werden, entsprechend der durch den aktuellen Datenverkehr erforderlichen Kapazität.

Synergie zwischen SDN und NFV

SDN und NFV ergänzen sich gegenseitig und können kombiniert verwendet werden, um flexiblere und skalierbarere Netzwerkarchitekturen zu schaffen. Diese Kombination kann jedoch auch potenzielle Schwachstellen für Angriffe mit sich bringen. Die Integration von SDN-basierter Steuerung mit der Flexibilität und Skalierbarkeit von NFV ermöglicht eine effizientere Verwaltung und Anpassung von Netzwerkdiensten an sich ändernde Anforderungen und Bedingungen, was besonders in industriellen IoT-Umgebungen von großer Bedeutung ist.

Vorstellung der Referenzarchitektur

Kernkomponenten der Referenzarchitektur

SDN-Switches bilden die Basis der Datenweiterleitung im Netzwerk. Sie werden von SDN-Controllern gesteuert, die hierarchisch zugeordnet und individuell programmierbar sind. Diese Steuerung erlaubt eine differenzierte Behandlung von Datenströmen basierend auf spezifischen Anforderungen wie Bandbreite, Latenz oder Jitter.

SDN-Controller orchestrieren die NFV-Infrastruktur und stellen Dienste wie segment-spezifische Firewalls für das gesamte Netzwerk bereit. Die Controller können die Datenflüsse einzelner Anlagen oder Produktionslinien steuern und so eine flexible, bedarfsgerechte Netzwerkkonfiguration ermöglichen.

NFV-Infrastruktur ermöglicht die Bereitstellung von Netzwerkfunktionen wie Firewalls, Load Balancern und VPNs als virtualisierte Dienste. Dies erhöht die Flexibilität und Skalierbarkeit der Netzwerksicherheit und -funktionalität.

Designmerkmale der Architektur

Die vorgeschlagene Referenzarchitektur für industrielle IoT-Netzwerke beruht auf einer sorgfältigen Auswahl von Designprinzipien (DPs), die auf den Kerntechnologien Software-Defined Networking (SDN) und Network Functions Virtualization (NFV) basieren. Diese Prinzipien werden in konkrete Designfeatures (DFs) übersetzt, die die Architektur definieren und ihre Funktionalität bestimmen. Im Folgenden wird erläutert, wie die einzelnen Designmerkmale der Architektur aus diesen Prinzipien abgeleitet und umgesetzt werden.

DF1: Hierarchische SDN-Controller und Switches

  • DP1 - Programmierbarkeit von Netzwerkflüssen: Dieses Prinzip ermöglicht es, Netzwerkpfade dynamisch anzupassen und zu optimieren, was durch die Verwendung von SDN-Controllern und -Switches realisiert wird.
  • DP2 - Logische Zentralisierung: Die zentrale Steuerung durch SDN-Controller ermöglicht eine effizientere Verwaltung und Überwachung des Netzwerkverkehrs.
  • DP6 - Hierarchische Netzwerksteuerungsstruktur: Die Anordnung der Controller in einer Hierarchie ermöglicht eine feingranulare Kontrolle und Skalierbarkeit des Netzwerks.
  • DP7 - Offene APIs: Durch offene Schnittstellen können Entwickler und Administratoren das Netzwerk leichter anpassen und mit anderen Systemen integrieren.

DF2: Entkoppelte Netzwerksegmente

  • DP3 - Virtualisierte Netzwerktrennung: Die Verwendung von SDN und VLANs (Virtual Local Area Networks) ermöglicht es, verschiedene Netzwerkbereiche logisch voneinander zu trennen, was die Sicherheit und Effizienz des Netzwerks erhöht.
  • DP4 - Virtualisierte Firewalls: Durch NFV implementierte Firewalls unterstützen die segmentübergreifende Sicherheit und ermöglichen eine flexible Reaktion auf sich ändernde Bedrohungen.

DF3: NFV-Infrastruktur

  • DP4 - Virtualisierte Firewalls: Dieses Designfeature nutzt NFV, um Sicherheitsfunktionen wie Firewalls als virtualisierte Dienste bereitzustellen, die flexibel im Netzwerk verteilt werden können.

DF4: Redundante Verbindungen

  • DP5 - Redundanz: Die Implementierung redundanter Pfade und Komponenten im Netzwerkdesign sorgt für eine höhere Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit des Netzwerks.

DF5: Gesicherte Übergänge

  • DP1 - Programmierbarkeit von Netzwerkflüssen: Ermöglicht die Anpassung von Sicherheitsrichtlinien in Echtzeit, um den Datenverkehr zwischen verschiedenen Netzwerksegmenten zu regulieren.
  • DP5 - Redundanz: Unterstützt die Sicherheit durch Bereitstellung alternativer Pfade für den Datenverkehr im Falle eines Ausfalls oder einer Sicherheitsverletzung an einem Übergang.

Die Kombination dieser Designprinzipien und -features bildet eine fortschrittliche Referenzarchitektur für IIoT-Netzwerke, die nicht nur eine flexible und effiziente Netzwerksteuerung ermöglicht, sondern auch höchste Sicherheitsstandards erfüllt. Die hierarchische Struktur der SDN-Controller und Switches ermöglicht eine skalierbare Netzwerkverwaltung, während die virtualisierte Netzwerktrennung und Firewalls eine sichere Kommunikation innerhalb des Netzwerks gewährleisten. Die Redundanz und gesicherten Übergänge sorgen für Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit des Netzwerks, selbst unter den anspruchsvollen Bedingungen industrieller Anwendungen. Die offenen APIs schließlich fördern die Interoperabilität und die Anpassungsfähigkeit des Netzwerks, was für die Integration und das Management von IIoT-Anwendungen unerlässlich ist.

Zuordnung von Anforderungen zu Design Prinzipien und Features der Referenzarchitektur.

Schematische Darstellung und Umsetzung

Die schematische Darstellung der Referenzarchitektur in der nachfolgenden Abbildung veranschaulicht die Umsetzung dieser Prinzipien in einem zukunftsorientierten IIoT-Netzwerk. SDN-Switches verbinden Geräte und Anlagen innerhalb des Produktionsnetzwerks und leiten Daten basierend auf den durch die SDN-Controller definierten Regeln weiter. Die NFV-Infrastruktur bietet netzwerkübergreifende Dienste wie Firewalls und VPNs, die durch den obersten SDN-Controller orchestriert werden.

Schematische Darstellung der Referenzarchitektur.

Diese Architektur bietet einen flexiblen Rahmen für die Implementierung von IIoT-Netzwerken, der die dynamische Anpassung an sich ändernde Anforderungen, die Integration neuer Geräte und Technologien sowie die Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Leistung ermöglicht. Sie dient als Blaupause für die Realisierung praktischer IIoT-Anwendungen, die eine effiziente und sichere Datenkommunikation in industriellen Umgebungen unterstützen.

Quelle: Martin, D., Kühl, N., & Schwenk, M. (2021, September). Towards a Reference Architecture for Future Industrial Internet of Things Networks. In 2021 IEEE 23rd Conference on Business Informatics (CBI). IEEE.

Fallstudie: Förderung von kollaborativer Wertschöpfung durch IoT-Plattformen am Beispiel von Bosch’s IoT-Ökosystem

Um die kollaborative Wertschöpfung durch IoT-Plattformen zu fördern, bietet das Beispiel des Bosch IoT-Ökosystems wertvolle Einblicke. Bosch hat sich auf die Entwicklung einer übergreifenden IoT-Strategie konzentriert, die IoT-Ökosysteme als entscheidenden strategischen Pfeiler sieht. Dieser Ansatz erforderte ein Umdenken in traditionellen Geschäftsmodellen und die Anpassung der Stakeholder-Beziehungen sowie der Wertschöpfungsprozesse. Aus dieser Vision ergaben sich komplexe Herausforderungen im strategischen Design und in der Governance, die Bosch in drei Dimensionen angegangen ist: IoT-Ökosystem, IoT-Plattform und gemeinsame Wertschöpfung.

Übersicht über die Fallstudie zu Bosch's IoT-Ökosystem.

Dimension 1: IoT-Ökosystem

Die erste Dimension des Bosch IoT-Ökosystems, das IoT-Ökosystem, beleuchtet die strategischen und organisatorischen Herausforderungen sowie die ergriffenen Maßnahmen, um ein Umfeld für kollaborative Wertschöpfung zu schaffen. Diese Dimension umfasst zwei wesentliche Bereiche: Ecosystem Design und Ecosystem Governance.

Ecosystem Design

Das Design des Ökosystems bei Bosch konzentrierte sich auf die Neugestaltung traditioneller Prozesse, um eine schnelle und unkomplizierte Integration aller Partner zu ermöglichen. Dabei wurden zwei zentrale Herausforderungen identifiziert:

  • Überwindung traditioneller Prozesse: Um eine schnelle Onboarding-Erfahrung für Partner zu gewährleisten, mussten langwierige rechtliche und Risikomanagement-Prozesse überwunden werden. Bosch implementierte standardisierte Onboarding-Prozesse und NDAs, um die Geschwindigkeit der Ökosystementwicklung zu erhöhen. Dies schloss ein gestrafftes zehn Schritte umfassendes Onboarding-Verfahren ein, das Klarheit über den Fortschritt und die noch erforderlichen Schritte bot, um die Zusammenarbeit zu beschleunigen.
  • Überzeugung und Anreizsetzung für Partner: Um ein unterstützendes Umfeld für die Partner zu schaffen und sie zum Beitritt zum Ökosystem zu bewegen, setzte Bosch auf niedrige Eintrittsbarrieren und finanzielle Unterstützung. Dies beinhaltete kurze Kündigungsfristen und Maßnahmen zur Reduzierung des finanziellen Risikos für die Partner. Die Vertrauenswürdigkeit von Bosch als Orchestrator spielte eine entscheidende Rolle, um Unternehmen zur Teilnahme zu motivieren.

Ecosystem Governance

Die Governance des Ökosystems erforderte die Ausbalancierung von Offenheit und Kontrolle, um Wachstum und Vielfalt zu fördern, gleichzeitig aber Qualität und Steuerung zu gewährleisten:

  • Bestimmung des richtigen Offenheitsgrads: Bosch stand vor der Herausforderung, das richtige Maß an Offenheit zu finden, um Wachstum und Diversität zu fördern, ohne die Kontrolle zu verlieren. Durch explizite Partnerschaftsrichtlinien wurde geregelt, wer welche Dienste anbieten darf. Dies umfasste Bereiche, die ausschließlich Bosch vorbehalten waren, Bereiche exklusiv für Partner und offene Bereiche, in denen Wettbewerb zwischen Bosch-Diensten und Partnerangeboten zugelassen war.
  • Etablierung strategischer Flexibilität: Um auf sich ändernde Umstände und neue Herausforderungen reagieren zu können, führte Bosch eine flexible einjährige Strategie ein. Diese Strategie schuf Raum für Experimente und ermöglichte es, schnell minimale lebensfähige Produkte (MVPs) zu realisieren. Durch die Ausgliederung mehrerer Ökosysteme in eigenständige Tochterunternehmen wurde versucht, eine größere Agilität und Innovationsgeschwindigkeit zu erreichen.

Dimension 2: IoT-Plattform

Die zweite Dimension im Rahmen des Bosch IoT-Ökosystems, die IoT-Plattform, konzentriert sich auf die technischen Aspekte, die für die Schaffung einer integrierten und kohärenten Lösung aus verschiedenen Produkten oder Dienstleistungen von weitgehend unabhängigen wirtschaftlichen Akteuren notwendig sind. Hierbei werden insbesondere die Herausforderungen und ergriffenen Maßnahmen in Bezug auf das Platform Design und die Platform Governance beleuchtet.

Platform Design

Das Design der IoT-Plattform bei Bosch stand vor der Aufgabe, eine modulare Architektur zu entwickeln, die Entwicklern die gemeinsame Erstellung von Diensten ermöglicht. Im Zentrum standen dabei folgende Herausforderungen:

  • Modulare Plattformarchitektur: Bosch musste Lösungen ermöglichen, die sowohl eigenständig funktionieren als auch auf derselben Datenbasis operieren, um umfassende Nutzungsszenarien zu ermöglichen. Durch die Nutzung bestehender technischer Standards und die Bereitstellung stabiler APIs sowie einer kompatiblen Steuereinheit über verschiedene Hersteller hinweg wurde eine modulare Plattformarchitektur geschaffen. Diese Architektur ähnelt dem Betriebssystem mobiler Geräte und bietet eine umfassende Integration verschiedener Anwendungen.
  • Attraktives Plattformumfeld für Entwickler: Eine weitere Herausforderung bestand darin, App-Entwickler für die Plattform zu gewinnen und deren Generativität für die Lieferung komplementärer Anwendungen zu nutzen. Bosch setzte auf benutzerfreundliche und flexible Software-Development-Kits (SDKs), verzichtete auf Zugangsgebühren für die Plattform und förderte die Teilnahme durch Wettbewerbe für App-Entwicklung. Ziel war es, ein Umfeld zu schaffen, das Entwickler anzieht und zur Partizipation motiviert.

Platform Governance

Die Governance der IoT-Plattform umfasste die Steuerung des Zugangs zur Plattform und die Bewältigung von Bedenken der Partner bezüglich einer zu dominanten Plattform. Folgende Maßnahmen wurden ergriffen:

  • Neutrale Plattformgovernance: Bosch musste die Zugänglichkeit der Plattform kontrollieren, während gleichzeitig die Bedenken der Partner hinsichtlich einer Überdominanz adressiert wurden. Entwickler mussten erst den Partnerstatus erreichen, bevor sie Zugang zu APIs und SDKs erhielten. Durch präzise dokumentierte Zertifizierungsprozesse vor der Markteinführung von Anwendungen wurde sichergestellt, dass nur qualitativ hochwertige Apps auf der Plattform angeboten werden. Bosch legte Wert darauf, die Neutralität der Plattform zu betonen und ermöglichte individuelles Branding für Partner-Apps.
  • Schnelle Realisierung der Plattform: Ein wesentlicher Aspekt war die zügige Umsetzung einer ersten funktionierenden Version der Plattform, um das Vertrauen der Partner nicht zu verlieren. Bosch fokussierte sich darauf, mit einer begrenzten Anzahl von Partnern einen ersten, wenn auch vereinfachten, Wertbeitrag zu liefern. Dieser Ansatz ermöglichte es, schnell eine minimale lebensfähige Plattform (Minimum Viable Platform, MVP) zu realisieren und erste Erfolge zu erzielen, was wiederum das Vertrauen in das Ökosystem stärkte und weitere Partner zur Teilnahme motivierte.

Dimension 3: Gemeinsame Wertschöpfung

Die dritte Dimension des Bosch IoT-Ökosystems, Wertschöpfung durch Kollaboration (Value Co-Creation), beleuchtet, wie Bosch den Übergang vom Zulieferer zum Orchestrator der kollaborativen Wertschöpfung vollzog, indem verschiedene Akteure in das IoT-Ökosystem integriert und deren fortlaufende Mitwirkung an der gemeinsamen Wertschöpfung sichergestellt wurden. Diese Dimension umfasst Herausforderungen und Maßnahmen in den Bereichen Design für Wertschöpfung und Governance für Wertschöpfung.

Design für Wertschöpfung

Bei der Gestaltung für die kollaborative Wertschöpfung stieß Bosch auf die Herausforderung, eine Monetarisierungsstrategie zu finden, die das Wachstum des Ökosystems nicht behindert und gleichzeitig sicherstellt, dass alle wesentlichen Teilnehmer des Ökosystems einen angemessenen Gewinn erzielen können.

  • Skalierbare Monetarisierungsstrategie: Bosch musste eine geeignete Monetarisierungsstrategie entwickeln, die das Wachstum des Ökosystems nicht einschränkt. Eine wichtige Entscheidung war, die Monetarisierung aufzuschieben und erst dann Gebühren zu erheben, wenn das Ökosystem eine ausreichende Größe erreicht hatte, um Netzwerkeffekte zu erzielen. Dadurch konnte die Plattform schnell skalieren, ohne durch hohe Fixkosten belastet zu werden.
  • Nachhaltige Win-Win-Situationen: Eine weitere Herausforderung bestand darin, die durch die Wertschöpfung generierten Einnahmen so aufzuteilen, dass alle wesentlichen Ökosystemteilnehmer einen gerechten Anteil am Gewinn erhalten. Bosch implementierte Mechanismen zur fairen Aufteilung der Einnahmen, um sicherzustellen, dass jeder Akteur für seinen Beitrag zur gemeinsamen Wertschöpfung angemessen belohnt wird.

Governance für Wertschöpfung

Die Governance für die kollaborative Wertschöpfung befasste sich mit der Einrichtung von Regeln und Prozessen, die definieren, wie Partnerschaften mit Wettbewerbern oder deutlich kleineren Unternehmen verwaltet werden, und wie das Henne-Ei-Problem gelöst wird, um eine ausreichende Teilnahme von beiden Marktseiten zu sichern.

  • Unvoreingenommenes Kollaborationsmodell: Bosch musste ein Governance-Modell etablieren, das sowohl Wettbewerbern als auch kleineren Unternehmen eine faire Chance zur Teilnahme bietet. Durch die Evaluation von Wettbewerbern und die Bereitstellung von Raum für kleinere Unternehmen konnten produktive Partnerschaften etabliert werden, die den Grundprinzipien von Fairness und Transparenz folgten.
  • Rechtzeitige Skalierung der Angebotsseite: Ein wesentliches Ziel war es, schnell eine ausreichende Anzahl von Anbietern für das Ökosystem zu gewinnen, um attraktive Dienste für die Nachfrageseite bereitzustellen. Bosch konzentrierte sich darauf, etablierte Anbieter mit einer großen Kundenbasis einzubinden, um das Ökosystem schnell zu skalieren und Netzwerkeffekte zu erzielen.

Spannungsfelder und Lösungsansätze

Im abschließenden Teil „Spannungsfelder und Lösungsansätze“ (Tensions & Resolutions) der Fallstudie zum Bosch IoT-Ökosystem werden vier übergeordnete Spannungsfelder identifiziert, die sich über die drei analysierten Dimensionen hinweg erstrecken: Ausbeutung vs. Erkundung, Verpflichtung vs. Zugänglichkeit, Kontrolle vs. Offenheit und Stabilität vs. Flexibilität. Diese Spannungsfelder repräsentieren scheinbar unvereinbare und gegenseitig ausschließende Anforderungen, die jedoch durch die in Bosch's IoT-Ökosystem implementierten Maßnahmen in Einklang gebracht werden können.

Organisatorische Ambidextrie: Ausbeutung vs. Erkundung

Die Herausforderung der organisatorischen Ambidextrie – das Gleichgewicht zwischen der Ausnutzung bestehender Ressourcen (Exploitation) und der Erforschung neuer Möglichkeiten (Exploration) – wird im Bosch-Fall durch die Notwendigkeit verdeutlicht, bestehende Geschäftsprozesse anzupassen, um die dynamischen Anforderungen von IoT-Ökosystemen zu erfüllen. Bosch hat sich dieser Herausforderung gestellt, indem es den Übergang von starren, hierarchischen Strukturen zu flexibleren, explorativen Ansätzen vollzogen hat. Die Standardisierung von Prozessen und Verträgen ermöglichte es, die Zeit für das Onboarding neuer Partner erheblich zu verkürzen und die Effizienz zu steigern, ohne dabei Kompromisse bei rechtlichen und Risikomanagementstandards einzugehen. Zudem hat Bosch die Modularität seiner IoT-Plattform genutzt, um einerseits eine stabile Basis für bestehende Lösungen zu bieten und andererseits Flexibilität für die Entwicklung und Integration neuer Module zu gewährleisten. Diese Maßnahmen erlaubten Bosch, sowohl bestehende Ressourcen effektiv zu nutzen als auch neue, innovative Lösungen zu erforschen und zu entwickeln.

Architektur der Teilnahme: Verpflichtung vs. Zugänglichkeit

Die Balance zwischen Verpflichtung und Zugänglichkeit in der Architektur der Teilnahme spiegelt sich in Boschs Bemühungen wider, eine attraktive und offene Plattform für die Teilnahme von Partnern zu schaffen, während gleichzeitig klare Regeln und Prozesse etabliert werden, um Vertrauen und Fairness im Ökosystem zu gewährleisten. Bosch hat transparente Partnermanagementprozesse implementiert, die nicht nur die Zugänglichkeit der Plattform erhöhen, sondern auch das Engagement der Partner durch klare Regeln und faire Einnahmenverteilung fördern. Durch das Setzen niedriger Eintrittsbarrieren und das Anbieten von Unterstützung für die Partner konnte Bosch eine Umgebung schaffen, die sowohl das Engagement bestehender Partner stärkt als auch neue Partner zum Beitritt ermutigt. Gleichzeitig hat Bosch durch die Etablierung von klaren Richtlinien und die Bereitstellung von Boundary Resources, wie APIs und SDKs, dafür gesorgt, dass die Offenheit der Plattform nicht zu Lasten der Kontrolle und Qualität geht. Diese Maßnahmen ermöglichen eine dynamische und produktive Zusammenarbeit innerhalb des Ökosystems, indem sie die Vorteile von Zugänglichkeit und Engagement mit der Notwendigkeit von Verpflichtung und Qualität in Einklang bringen.

Vertrauenswürdige Governance: Kontrolle vs. Offenheit

Die Spannung zwischen Kontrolle und Offenheit in der Governance von IoT-Ökosystemen stellt Bosch vor die Herausforderung, einerseits klare Regeln und Richtlinien zu etablieren, um die Qualität und Sicherheit innerhalb des Ökosystems zu gewährleisten, und andererseits eine ausreichende Offenheit zu bieten, um Innovation und Beteiligung zu fördern. Bosch hat diesen Balanceakt durch die Einführung expliziter Partnerschaftsrichtlinien gemeistert, die definieren, wer welche Dienstleistungen innerhalb des Ökosystems anbieten darf. Diese Richtlinien fördern das Wachstum und die Vielfalt im Ökosystem, während sie gleichzeitig sicherstellen, dass die angebotenen Dienstleistungen den Qualitätsstandards entsprechen. Darüber hinaus hat Bosch die Entscheidungsmacht innerhalb des Ökosystems so verteilt, dass sowohl Bosch selbst als auch die Partner Einfluss auf die Weiterentwicklung des Ökosystems nehmen können. Dieser Ansatz ermöglicht es Bosch, eine vertrauensvolle Umgebung zu schaffen, in der Partner motiviert sind, zum gemeinsamen Erfolg beizutragen, ohne dass sie befürchten müssen, von einem dominierenden Akteur übervorteilt zu werden.

Minimales Lebensfähiges Ökosystem: Stabilität vs. Flexibilität

Die Notwendigkeit, Stabilität und Flexibilität auszubalancieren, manifestiert sich in der Entwicklung eines minimalen lebensfähigen Ökosystems (Minimum Viable Ecosystem), das schnell an den Markt gebracht werden kann, während es gleichzeitig genug Flexibilität bietet, um auf Veränderungen und neue Gelegenheiten reagieren zu können. Bosch hat auf diese Herausforderung reagiert, indem es zunächst eine begrenzte Anzahl von Partnern eingebunden hat, um eine Basisversion des Ökosystems zu erstellen, die schnell realisiert und demonstriert werden konnte. Diese Strategie erlaubte es Bosch, frühzeitig Vertrauen und Interesse bei potenziellen Partnern und Kunden zu wecken und gleichzeitig die Grundlage für zukünftige Erweiterungen und Anpassungen zu legen. Indem Bosch die Governance des Ökosystems flexibel gestaltet hat, konnte es sich an veränderte Bedingungen anpassen und neue Chancen ergreifen, ohne dabei die grundlegende Stabilität und Zielsetzung des Ökosystems zu gefährden. Diese Balance zwischen Stabilität und Flexibilität ist entscheidend, um langfristig ein erfolgreiches und dynamisches Ökosystem aufzubauen und zu erhalten.

Zusammenfassend zeigt der Fall Bosch, dass durch sorgfältig gestaltete Maßnahmen und Governance-Strukturen die inhärenten Spannungen in der Entwicklung und Verwaltung von IoT-Ökosystemen nicht nur verwaltet, sondern in produktive Dynamiken umgewandelt werden können, die sowohl die Wertschöpfung als auch die Innovation innerhalb des Ökosystems fördern.

Quelle: Sterk, F., Heinz, D., Hengstler, P., & Weinhardt, C. (2023). Reallocating Uncertainty in Incumbent Firms through Digital Platforms: The Case of Google’s Automotive Ecosystem Involvement. In 44th International Conference on Information Systems (ICIS 2023).

Fallstudie: Die Adoption von Google’s Betriebssystem und digitaler Services in der Automobilindustrie

Die Fallstudie zur Adoption von Googles Betriebssystem und digitalen Diensten in der Automobilindustrie beleuchtet die dynamische Interaktion zwischen traditionellen Automobilherstellern (Original Equipment Manufacturers, OEMs) und Technologieunternehmen. Durch die Einführung von Android Automotive OS (AAOS) und Google Automotive Services (GAS) stellt Google eine Plattform bereit, die es OEMs ermöglicht, moderne Infotainmentsysteme in Fahrzeugen zu integrieren. Diese Entwicklung wirft Fragen bezüglich der digitalen Strategien der OEMs auf, insbesondere hinsichtlich des Umfangs der Einbindung von Technologieunternehmen in ihre digitalen Angebote.

Zeitliche Übersicht über die Adoption von AAOS und GAS in der Automobilindustrie.

Herausforderungen der digitalen Transformation in der Automobilindustrie

Die digitale Transformation in der Automobilindustrie zwingt OEMs (Original Equipment Manufacturers) zu einer grundlegenden Neubewertung ihrer Geschäfts- und Produktstrategien. Im Zentrum dieser Herausforderung steht die Umwandlung von traditionellen, hardwarezentrierten Fahrzeugen in vernetzte, softwaredefinierte Plattformen, die weit über die bloße Fortbewegung hinausgehen. Diese Entwicklung ist sowohl eine Reaktion auf als auch eine Vorbedingung für die sich wandelnden Erwartungen der Verbraucher, die zunehmend nahtlose digitale Erlebnisse in allen Aspekten ihres Lebens, einschließlich ihrer Fahrzeuge, suchen.

Technologische Herausforderungen: Die Integration von komplexen digitalen Systemen und Plattformen wie AAOS (Android Automotive OS) von Google in Fahrzeuge stellt OEMs vor technische Herausforderungen. Diese reichen von der Sicherstellung der Cybersecurity über die Gewährleistung der Systemintegrität bis hin zur Kompatibilität mit einer Vielzahl von Fahrzeugmodellen und -generationen. Hinzu kommt die Notwendigkeit, kontinuierliche Software-Updates und -Upgrades zu managen, um die Funktionalität und Sicherheit der Fahrzeuge zu gewährleisten.

Strategische Herausforderungen: Auf strategischer Ebene müssen OEMs entscheiden, wie tiefgreifend sie mit Technologieanbietern wie Google zusammenarbeiten möchten. Eine vollständige Integration von Googles AAOS und GAS (Google Automotive Services) kann zwar den Zugang zu fortschrittlichen Diensten und einer breiten Nutzerbasis eröffnen, birgt aber auch das Risiko, Kontrolle über die Kundendaten und die Endnutzererfahrung zu verlieren. OEMs stehen somit vor der Herausforderung, eine Balance zwischen der Nutzung externer Technologieplattformen und der Bewahrung ihrer eigenen Markenidentität und Unabhängigkeit zu finden.

Marktherausforderungen: Die digitale Transformation verstärkt auch den Wettbewerbsdruck innerhalb der Automobilindustrie. Technologieunternehmen und neue Akteure mit digitalen Geschäftsmodellen drängen auf den Markt und stellen traditionelle Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle in Frage. OEMs müssen sich nicht nur gegenüber diesen neuen Wettbewerbern behaupten, sondern auch ihre Position in einem zunehmend vernetzten und dienstleistungsorientierten Ökosystem verteidigen.

Herausforderungen bei der Datenkontrolle: Ein weiteres zentrales Thema der digitalen Transformation ist die Kontrolle und Nutzung von Fahrzeugdaten. Daten spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Dienstleistungen, von prädiktiver Wartung über personalisierte Nutzererlebnisse bis hin zu autonomen Fahrfunktionen. Die Zusammenarbeit mit Technologieanbietern wie Google kann den Zugang zu fortschrittlichen Analytik- und Cloud-Diensten eröffnen, wirft jedoch gleichzeitig Fragen bezüglich der Datensouveränität, des Datenschutzes und der Datenmonetarisierung auf.

Die digitale Transformation in der Automobilindustrie bietet enorme Chancen für OEMs, erfordert jedoch gleichzeitig eine sorgfältige Navigation durch ein komplexes Geflecht aus technologischen, strategischen und marktbezogenen Herausforderungen. Die Entscheidung, inwieweit Technologieplattformen wie AAOS und GAS von Google in die eigene Produktstrategie integriert werden sollen, ist dabei ein entscheidender Faktor, der die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit und Marktpositionierung der OEMs maßgeblich beeinflussen wird. Die erfolgreiche Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert nicht nur technologische Expertise, sondern auch strategische Weitsicht und die Fähigkeit, agile und kundenzentrierte Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Strategische Anpassungen der OEMs

Die strategischen Anpassungen der OEMs in der Automobilindustrie an die digitale Transformation und speziell an die Einführung von Googles Android Automotive OS (AAOS) und den damit verbundenen Google Automotive Services (GAS) sind vielfältig und spiegeln die unterschiedlichen Ansätze und Ziele der einzelnen Unternehmen wider. Im Kern geht es dabei um die Entscheidung, wie tief die Integration mit externen Technologieplattformen erfolgen soll und welche strategischen Ziele damit verfolgt werden. Diese Anpassungen lassen sich in drei wesentliche Kategorien unterteilen: holistische Integration, isolierte Integration und individuelle Anpassungsstrategien.

Holistische Integration: Einige OEMs wählen eine holistische Integrationsstrategie, bei der sowohl AAOS als auch GAS vollständig in ihre Fahrzeuge eingebettet werden. Diese Strategie ermöglicht es den OEMs, von Googles umfangreicher Erfahrung in der Entwicklung von Benutzeroberflächen, Diensten und Ökosystemen zu profitieren. Fahrzeugnutzer erhalten Zugang zu einer breiten Palette von Anwendungen und Diensten, einschließlich Google Maps, Google Assistant und dem Google Play Store, was zu einer verbesserten Nutzererfahrung führt. Allerdings führt diese tiefe Integration auch dazu, dass OEMs einen Teil ihrer Kontrolle über die Kundendaten und die Endnutzererfahrung an Google abgeben. Diese Strategie eignet sich besonders für OEMs, die schnell fortschrittliche Infotainmentsysteme auf den Markt bringen möchten, ohne selbst umfangreiche Investitionen in die Entwicklung eigener Systeme tätigen zu müssen.

Isolierte Integration: Bei der isolierten Integrationsstrategie entscheiden sich OEMs dafür, AAOS zu nutzen, verzichten jedoch auf die Einbindung von GAS. Stattdessen entwickeln oder integrieren sie eigene oder alternative Dienste und Anwendungen, um ihre Unabhängigkeit von Google zu bewahren und eine größere Kontrolle über die Daten und die Nutzererfahrung zu behalten. Diese Strategie ermöglicht es den OEMs, die Vorteile eines etablierten Betriebssystems zu nutzen, während sie gleichzeitig ihre Markenidentität und datenschutzrechtliche Standards wahren. Die Herausforderung besteht darin, Dienste und Anwendungen zu entwickeln, die in Bezug auf Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit mit den GAS-Angeboten konkurrieren können.

Individuelle Anpassungsstrategien: Einige OEMs verfolgen individuelle Anpassungsstrategien, die darauf abzielen, spezifische Aspekte von AAOS und GAS zu nutzen, während sie gleichzeitig eigene Systeme und Dienste entwickeln oder beibehalten. Diese Strategie ermöglicht es den OEMs, eine maßgeschneiderte Balance zwischen der Nutzung externer Technologieplattformen und der Wahrung ihrer eigenen strategischen Ziele und Kontrolle zu finden. Beispiele hierfür sind die Integration von Google Maps für Navigationsdienste, während gleichzeitig eigene Anwendungen und Dienste für andere Aspekte des Infotainmentsystems beibehalten werden. Diese Ansätze erfordern sorgfältige Verhandlungen und Vereinbarungen mit Google, um die notwendige Flexibilität und Kontrolle zu gewährleisten.

Die strategischen Anpassungen der OEMs an die digitale Transformation und die Integration von Technologieplattformen wie AAOS und GAS sind ein kritischer Aspekt ihrer zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit. Die Wahl der Integrationsstrategie hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, einschließlich der Unternehmensziele, der Markenidentität, der datenschutzrechtlichen Überlegungen und der Fähigkeit, eigene digitale Dienste und Plattformen zu entwickeln. Unabhängig von der gewählten Strategie ist es entscheidend, dass OEMs eine flexible und kundenorientierte Herangehensweise verfolgen, um in einem zunehmend digitalisierten und vernetzten Automobilmarkt erfolgreich zu sein.

Übersicht über das Spektrum möglicher Anpassungsstrategien der OEMs.

Die Rolle von Grenzressourcen der Plattform

Die Rolle von Grenzressourcen (Boundary Resources) in digitalen Plattformen, insbesondere in Bezug auf Googles Android Automotive OS (AAOS) und Google Automotive Services (GAS), ist entscheidend für die Gestaltung der Beziehung zwischen Technologieanbietern wie Google und den Automobilherstellern (OEMs). Grenzressourcen sind Werkzeuge, APIs (Application Programming Interfaces), SDKs (Software Development Kits), Richtlinien und andere technische und nicht-technische Mittel, die von Plattformbesitzern bereitgestellt werden, um die Interaktion zwischen der Plattform und externen Entwicklern, Drittanbietern oder in diesem Fall Automobilherstellern zu erleichtern und zu regeln.

Beschleunigung der Skalierbarkeit durch Open-Source-Lizenz: Google hat AAOS unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlicht, was bedeutet, dass OEMs AAOS in ihre Fahrzeuge integrieren können, ohne direkt mit Google interagieren oder spezifische vertragliche Vereinbarungen treffen zu müssen. Dieser Ansatz zielt darauf ab, eine schnelle Skalierung des Ökosystems zu fördern, indem so viele OEMs wie möglich ermutigt werden, AAOS zu adoptieren. Durch die Bereitstellung von AAOS als Open-Source-Projekt positioniert sich Google als zentraler Akteur, ohne direkte Einnahmen aus der Lizenzierung des Betriebssystems zu generieren. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf der Skalierung des Ökosystems und der Förderung der Nutzung von GAS.

Wertgenerierung durch Google Automotive Services: Während AAOS selbst Open Source ist, bietet Google mit GAS zusätzliche, wertsteigernde Softwareartefakte an, die mit dem Betriebssystem interagieren und Dienste wie Google Maps, Google Assistant und den Google Play Store umfassen. Für die Nutzung von GAS müssen OEMs eine Lizenzvereinbarung mit Google abschließen und sich bereit erklären, proprietäre Daten zu teilen. Dies ermöglicht Google den Zugang zu wertvollen Nutzerdaten, um maßgeschneiderte Werbung zu generieren und die Qualität seiner Dienste zu verbessern. Die Einbindung des Google Play Store als Teil von GAS bietet Google außerdem eine direkte Einnahmequelle durch Provisionen für im Store gehostete Drittanbieter-Apps.

Durchsetzung der Standardisierung durch Vehicle Hardware Abstraction Layer: Unabhängig davon, ob sich ein OEM für die Open-Source-Version entscheidet oder AAOS lizenziert, ist die Implementierung der Vehicle Hardware Abstraction Layer (VHAL) eine grundlegende Anforderung. VHAL erweitert das ursprüngliche Android-Framework für den Automobilkontext und definiert Eigenschaften, die von allen OEMs unterstützt werden müssen, die AAOS implementieren. Google ermöglicht es OEMs, VHAL zu erweitern und kundenspezifische, herstellerspezifische Eigenschaften zu integrieren, gibt ihnen jedoch Kontrolle und Datensouveränität über die an Google gesendeten Fahrzeugdaten.

Generativität durch APIs, SDKs und Client-Bibliothek: Der Erfolg von Googles digitalem Ökosystem beruht teilweise auf einer robusten Gemeinschaft von Drittanbieter-Entwicklern, die eine Vielzahl von Apps für Endbenutzer bereitstellen. GAS umfasst APIs und ein SDK, das die App-Entwicklung erleichtert und eine robuste Zahlungsinfrastruktur für alle Plattformtransaktionen über den Google Play Store gewährleistet. Google bietet umfassende Unterstützung für App-Entwickler, einschließlich Werkzeugen, Testsuiten, Dokumentation und Kollaborationsveranstaltungen.

Grenzressourcen sind entscheidend für die Strategie von Google, um OEMs zur Adoption von AAOS und GAS zu bewegen und gleichzeitig ein gewisses Maß an Kontrolle und Flexibilität über die Integration und Nutzung dieser Systeme zu behalten. Sie ermöglichen eine Balance zwischen Offenheit für Innovation und Standardisierung, die notwendig ist, um ein breites und vielfältiges Ökosystem von Anwendungen und Diensten zu fördern, das sowohl für OEMs als auch für Endnutzer attraktiv ist.

Strategische Neuverteilung von Unsicherheiten in der digitalen Plattformwahl

Die Wahl der Plattformstrategie durch Automobilhersteller (OEMs) im Kontext der digitalen Transformation, insbesondere bei der Entscheidung für oder gegen die Integration von Googles Android Automotive OS (AAOS) und Google Automotive Services (GAS), ist ein kritischer Faktor, der wesentlich zur Reallokation von Unsicherheiten beiträgt. Dieser Prozess, den wir als „Strategische Neuverteilung von Unsicherheiten in der digitalen Plattformwahl“ bezeichnen könnten, umfasst das Abwägen zwischen verschiedenen Unsicherheitsfaktoren und das Nutzen der Möglichkeiten, die externe digitale Plattformen bieten, um diese Unsicherheiten neu zu verteilen.

1. Unsicherheitsabwägung beim Betriebssystem: OEMs stehen vor der Wahl, entweder AAOS zu implementieren oder ein proprietäres Betriebssystem zu entwickeln. Die Verwendung von AAOS bietet signifikante finanzielle Vorteile und eine schnellere Markteinführung, birgt jedoch das Risiko, dass Google zukünftig die Kontrolle über das System ausweitet, was die Unabhängigkeit der OEMs gefährden könnte.

2. Unsicherheitsabwägung bei Kernanwendungen: Eine weitere strategische Entscheidung betrifft die Nutzung von GAS. Hier bietet Google leistungsstarke Dienste wie Google Maps und Google Assistant, die schwer zu replizieren sind. Die Integration von GAS kann jedoch dazu führen, dass OEMs wertvolle digitale Kundenkontaktpunkte an Google verlieren und Einblicke in das Nutzerverhalten einbüßen.

3. Unsicherheitsabwägung beim App-Store-Geschäftsmodell: Die Entscheidung für GAS beinhaltet auch die Integration des Google Play Store, was die technische Unsicherheit durch robuste Zahlungsmechanismen und eine hohe App-Qualität verringert. Gleichzeitig erhöht dies jedoch die geschäftliche Unsicherheit für OEMs, da sie die Kontrolle über das App-Angebot und potenzielle Einnahmequellen an Google abtreten.

Durch die Entscheidung für eine bestimmte Plattformstrategie können OEMs Unsicherheiten in Bereichen, in denen sie weniger kompetent oder bereit sind, Risiken einzugehen, auf externe Partner wie Google verlagern. Gleichzeitig können sie in anderen Bereichen, in denen sie strategische Vorteile sehen oder die Kontrolle behalten möchten, gezielt Unsicherheiten auf sich nehmen. Diese strategische Neuverteilung ermöglicht es OEMs:

  • Skaleneffekte zu nutzen, indem sie ein weit verbreitetes Betriebssystem integrieren, ohne die Notwendigkeit, ein eigenes System von Grund auf neu zu entwickeln.
  • Innovationsgeschwindigkeit zu erhöhen, indem sie auf ein Ökosystem von Apps und Diensten zugreifen, das bereits durch eine externe Plattform etabliert ist.
  • Markenidentität und Kundenerfahrung zu differenzieren, indem sie entscheiden, welche Aspekte des digitalen Erlebnisses intern gesteuert und welche durch Partnerschaften erweitert werden.

Die strategische Neuverteilung von Unsicherheiten ermöglicht es OEMs, sich in einem zunehmend digitalisierten und von Plattformökonomien geprägten Marktumfeld anzupassen und zu positionieren. Indem sie bewusst zwischen den Vorteilen der Skalierung und Innovation durch externe Plattformen und dem Bedürfnis nach Kontrolle und Differenzierung abwägen, können OEMs eine Plattformstrategie wählen, die ihre langfristigen strategischen Ziele unterstützt und gleichzeitig das Risiko in einem sich schnell verändernden technologischen Landschaft managt.

Strategische Neuverteilung von Unsicherheiten in der digitalen Plattformwahl.

Fazit

Die Fallstudie zur Adoption von Googles Betriebssystem und digitalen Services in der Automobilindustrie beleuchtet tiefgreifende strategische Überlegungen, die Automobilhersteller (OEMs) in Reaktion auf die digitale Transformation und die zunehmende Präsenz von Technologiegiganten wie Google in ihrem Sektor anstellen müssen. Sie unterstreicht die Notwendigkeit für OEMs, ihre digitalen Strategien anzupassen, um in einem Marktumfeld, das zunehmend von softwaredefinierten Fahrzeugen und digitalen Ökosystemen geprägt ist, wettbewerbsfähig zu bleiben. Zusammenfassend lassen sich vier Kernpunkte der Fallstudie festhalten:

  1. Digitale Transformation in der Automobilindustrie: Die Fallstudie zeigt, wie die digitale Transformation traditionelle Geschäftsmodelle in der Automobilindustrie verändert und OEMs dazu zwingt, über den physischen Fahrzeugbau hinaus zu denken und sich als Anbieter digitaler Dienstleistungen neu zu positionieren.
  2. Strategische Anpassungen der OEMs: OEMs stehen vor der Herausforderung, zwischen der Entwicklung eigener Betriebssysteme und der Integration von AAOS sowie der Entscheidung über die Nutzung von GAS zu wählen. Diese Entscheidungen sind von zentraler Bedeutung für die Kontrolle über Kundendaten, die Benutzererfahrung und die Unabhängigkeit von externen Tech-Unternehmen.
  3. Die Rolle von Grenzressourcen: Google nutzt Grenzressourcen strategisch, um die Adoption seiner Plattformen zu fördern und gleichzeitig eine zentrale Rolle im digitalen Ökosystem der Fahrzeuge zu spielen. OEMs müssen diese Dynamik verstehen und ihre eigenen digitalen Angebote entsprechend gestalten, um ihre Wettbewerbsposition zu sichern.
  4. Unsicherheitsreallokation: Die Entscheidung für eine Plattformstrategie führt zu einer Neuverteilung von Unsicherheiten. OEMs müssen abwägen, welche Unsicherheiten sie übernehmen und welche sie durch die Nutzung externer Plattformen auf andere Akteure übertragen wollen. Diese strategische Neuverteilung von Unsicherheiten ist entscheidend für die langfristige Positionierung und Erfolg in einem digital transformierten Automobilmarkt.

Die Fallstudie verdeutlicht, dass die digitale Transformation der Automobilindustrie OEMs vor komplexe strategische Entscheidungen stellt. Die Wahl zwischen der Entwicklung eigener digitaler Lösungen und der Integration von Technologien externer Plattformanbieter wie Google hat weitreichende Implikationen für die Kontrolle über das Kundenerlebnis, den Zugang zu wertvollen Daten und die Fähigkeit, sich in einem zunehmend von digitalen Diensten geprägten Markt zu differenzieren. Die strategische Neuverteilung von Unsicherheiten und die bewusste Entscheidung, welche Aspekte der digitalen Transformation intern gehandhabt und welche durch Partnerschaften ergänzt werden sollen, sind entscheidend. Sie ermöglichen OEMs, nicht nur auf kurzfristige Marktentwicklungen zu reagieren, sondern auch ihre langfristige Positionierung und Wettbewerbsfähigkeit in einem sich schnell wandelnden Umfeld zu sichern. Letztlich zeigt die Fallstudie, dass die erfolgreiche Navigation durch die digitale Transformation in der Automobilindustrie eine sorgfältige Abwägung von Chancen und Risiken erfordert. OEMs müssen eine ausgewogene Strategie entwickeln, die sowohl die Potenziale externer digitaler Plattformen nutzt als auch ihre eigene Markenidentität und Unabhängigkeit wahrt.

Quelle: Sterk, F., Heinz, D., Hengstler, P., & Weinhardt, C. (2023). Reallocating Uncertainty in Incumbent Firms through Digital Platforms: The Case of Google’s Automotive Ecosystem Involvement. In 44th International Conference on Information Systems (ICIS 2023).

Fallstudie: Enabler für die Transformation zum Anbieter einer IoT-Plattform

Die digitale Transformation stellt insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) eine Herausforderung dar, bietet aber gleichzeitig enorme Chancen zur Weiterentwicklung und zur Erschließung neuer Märkte. Ein zentraler Aspekt dieser Transformation ist die Entwicklung und Etablierung von digitalen Plattformen, die es ermöglichen, über Unternehmensgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten und Innovationen zu fördern. Diese Fallstudie beleuchtet, wie ein Industrieunternehmen, das wir hier IndustrialCorp nennen, sich durch die Kooperation mit einem Start-up, YoungComp, zu einem Anbieter einer digitalen B2B-Plattform im Bereich der Transportindustrie entwickelte.

Die Ausgangssituation von IndustrialCorp

Die digitale Transformation ist für KMU nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Gelegenheit, sich neu zu erfinden und für die Zukunft zu rüsten. Die Ausgangssituation von IndustrialCorp, einem traditionellen Unternehmen im Transportsektor, illustriert exemplarisch die Notwendigkeit dieser Transformation in einer Branche, die zunehmend von digitalen Innovationen und dem Bedarf an vernetzten, intelligenten Lösungen geprägt ist.

Traditionelles Geschäftsmodell und die Erkenntnis der Notwendigkeit zur Veränderung: IndustrialCorp hatte seinen Erfolg jahrzehntelang auf der Herstellung und dem Verkauf physischer Produkte aufgebaut. Das Unternehmen war fest in der Wertschöpfungskette der Transportindustrie verankert, mit einem klaren Fokus auf Qualität und Zuverlässigkeit seiner Produkte. Mit der Zeit jedoch wurde deutlich, dass reine Produktangebote in einem zunehmend digitalisierten und vernetzten Marktumfeld nicht mehr ausreichen würden, um langfristiges Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die digitale Transformation wurde somit zur strategischen Notwendigkeit, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die auf Dienstleistungen, Daten und Plattformen basieren.

Erste Schritte zur Digitalisierung und die Suche nach einem neuen Weg: IndustrialCorp erkannte, dass die Zukunft in der Entwicklung digitaler Lösungen und der Etablierung einer IoT-Plattform liegt. Diese Erkenntnis führte zu ersten Digitalisierungsinitiativen, allerdings ohne klare Strategie oder Erfahrung im Aufbau digitaler Plattformen. Das Unternehmen stand vor der Herausforderung, sein tief verwurzeltes Selbstverständnis als Produzent physischer Güter zu überdenken und sich Kompetenzen im Bereich digitaler Technologien anzueignen.

Die Entscheidung für eine Partnerschaft mit einem Start-up: Um die Lücke zwischen dem bestehenden Know-how und den Anforderungen an eine digitale Zukunft zu schließen, entschied sich IndustrialCorp für die Kooperation mit YoungComp, einem Start-up, das bereits Erfahrungen im digitalen Servicebereich und speziell im Aufbau von IoT-Plattformen gesammelt hatte. Diese Partnerschaft bot die Möglichkeit, von der Agilität und Innovationskraft eines Start-ups zu profitieren und gleichzeitig die eigenen Stärken – wie Marktkenntnis, Ressourcen und Kundenbeziehungen – in die Waagschale zu werfen.

Die Ausgangssituation von IndustrialCorp spiegelt die Herausforderungen wider, vor denen viele KMU an der Schwelle zur digitalen Transformation stehen: die Notwendigkeit zur Erneuerung traditioneller Geschäftsmodelle, die Überwindung interner und externer Hürden sowie die Suche nach passenden Partnern für den Weg in eine digitale Zukunft. Die Entscheidung für die Kooperation mit einem Start-up markiert den Beginn einer vielversprechenden Reise zur Transformation in einen digitalen Plattformanbieter, die IndustrialCorp neue Wachstumsperspektiven eröffnet und zeigt, wie KMU durch strategische Partnerschaften und Offenheit für Neues die Weichen für den Erfolg in der digitalen Ära stellen können.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Um die Herausforderungen der Transformation eines traditionellen Industrieunternehmens zum Anbieter einer IoT-Plattform zu adressieren, orientieren wir uns an einer Struktur, die auf dem Framework der dynamischen Fähigkeiten basiert, wie es von Teece et al. vorgeschlagen wurde. Dieses Framework hilft uns, die notwendigen Fähigkeiten eines Unternehmens zu verstehen, um sich an schnell ändernde Umgebungen anzupassen und dabei nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Die gewählte Struktur ermöglicht eine detaillierte Analyse und Entwicklung von Lösungsansätzen entlang dreier Hauptdimensionen:

  1. Dynamische Fähigkeiten (Dynamic Capability): Diese Kategorie umfasst die übergeordneten Fähigkeiten, die ein Unternehmen benötigt, um Chancen zu erkennen und zu ergreifen.
  2. Grundlagen (Microfoundations): Innerhalb jeder dynamischen Fähigkeit identifizieren wir spezifische organisatorische und manageriale Prozesse, Verfahren, Systeme und Strukturen, die als Grundlage dienen, um die entsprechenden Fähigkeiten zu entwickeln und umzusetzen.
  3. Identifizierte Befähiger (Identified Enablers): Basierend auf den Microfoundations leiten wir konkrete Enabler ab, die als praktische Hebel dienen, um die Transformation effektiv zu unterstützen und zu steuern.

Diese Struktur hilft uns, die komplexe Herausforderung der Plattformentwicklung systematisch anzugehen, indem wir spezifische Aktivitäten und Prozesse definieren, die zur Stärkung der erforderlichen dynamischen Fähigkeiten beitragen. Indem wir diese dreistufige Gliederung verwenden, können wir die vielfältigen Aspekte der Plattformentwicklung – von der Wahrnehmung von Marktmöglichkeiten über die Realisierung dieser Chancen bis hin zur effektiven Entscheidungsfindung – präzise adressieren und so einen klaren und umsetzbaren Rahmen für die Transformation bieten. Basierend auf dem Framework der dynamischen Fähigkeiten und den daraus abgeleiteten Microfoundations sowie identifizierten Enablern ergeben sich konkrete Erkenntnisse und Lösungsansätze für die Transformation eines Industrieunternehmens zum Anbieter einer IoT-Plattform. Diese Erkenntnisse stellen praktische Hebel dar, die Unternehmen bei dieser komplexen Transformation unterstützen können.

Überblick über identifizierte Befähiger und Dynamische Fähigkeiten.

Chancen erkennen: Innovationspotential bei Komplementoren und Kunden identifzieren

  • Adoption einer Service-Ökosystem-Perspektive: Unternehmen sollten über ihre eigenen Grenzen hinaus denken und das gesamte Ökosystem einbeziehen, um Innovationspotenziale und Kundenbedürfnisse besser zu verstehen. Dies beinhaltet das Durchführen von Wettbewerbsanalysen, Marktforschung und direktem Kundenfeedback. IndustrialCorp führte beispielsweise aktive Marktforschung durch und interagierte direkt mit Kunden, um deren Bedürfnisse zu verstehen und diese Informationen in die Hypothesenbildung über Kundenanforderungen einfließen zu lassen.

Chancen ergreifen: Loyalität und Verpflichtung aufbauen

  • Einigung auf eine gemeinsame Vision: Eine frühzeitige Abstimmung aller Beteiligten auf ein gemeinsames Ziel fördert die Ausrichtung und das Engagement. IndustrialCorp und YoungComp entwickelten gemeinsam eine Vision für die Plattform, die sowohl die strategischen Ziele als auch die Interessen aller Stakeholder berücksichtigte, um Commitment zu fördern und Kollaboration zu erleichtern.
  • Aufbau vertrauensvoller Beziehungen auf Augenhöhe: Die Entwicklung einer Kultur des Vertrauens und der Offenheit zwischen allen Partnern ist entscheidend für eine effektive und effiziente Zusammenarbeit. IndustrialCorp überwand anfängliches Misstrauen durch den Nachweis kooperativen Verhaltens und etablierte eine Partnerschaft auf Augenhöhe mit YoungComp, wobei die Größe des Unternehmens keine Rolle spielte.

Chancen ergreifen: Die Kundenlösung abgrenzen

  • Adoption einer Lernmentalität mit einer begrenzten Anfangsversion: Der Beginn mit einer minimalen, aber funktionalen Version der Plattform ermöglicht es, schnell von realen Nutzerfeedbacks zu lernen und iterativ Verbesserungen vorzunehmen. IndustrialCorp startete mit einer vereinfachten Plattformversion, um Komplexität zu reduzieren und frühzeitig Feedback von tatsächlichen Nutzern zu erhalten.
  • Schutz des traditionellen Geschäfts und zentraler Vermögenswerte: Es ist wichtig sicherzustellen, dass die digitale Transformation das Kerngeschäft ergänzt und nicht gefährdet. IndustrialCorp achtete darauf, sein traditionelles Geschäft und wichtige Vermögenswerte zu schützen, indem es Experten aus dem traditionellen Geschäftsbereich in Entscheidungsprozesse einband.

Chancen ergreifen: Entscheidungsprotokolle auswählen

  • Integration diverser Wissens- und Fähigkeitsbereiche: Die Zusammenführung verschiedener Expertisen und Perspektiven im Team ermöglicht eine umfassende und flexible Plattformentwicklung. IndustrialCorp integrierte Fachwissen aus verschiedenen Bereichen und setzte auf externe Experten, wo notwendig, um eine breite und vielfältige Wissensbasis zu schaffen.
  • Autonome Veränderungsteams ausstatten: Die Gewährung von Autonomie und Ressourcen an spezialisierte Teams fördert agile Entscheidungsfindung und schnelle Anpassungen an Marktveränderungen. IndustrialCorp gewährte dem Plattformentwicklungsteam Autonomie und unterstützte es mit den notwendigen Ressourcen, um eine effiziente Entscheidungsfindung und Implementierung zu ermöglichen.

Diese Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung einer strategischen, ganzheitlichen Herangehensweise an die Transformation zum Anbieter einer IoT-Plattform. Sie betonen die Notwendigkeit, über traditionelle Geschäftsmodelle hinauszudenken, eine Kultur der Offenheit und des Lernens zu fördern und die organisatorische Agilität zu steigern, um in einem zunehmend digitalisierten Marktumfeld erfolgreich zu sein.

Fazit

Die Fallstudie zur Transformation eines Industrieunternehmens zum Anbieter einer IoT-Plattform liefert wertvolle Einsichten in die komplexen Prozesse und Herausforderungen, die mit der digitalen Transformation verbunden sind. Durch die Anwendung des Dynamic Capabilities Frameworks wurden sieben zentrale Enabler identifiziert, die es IndustrialCorp ermöglichten, erfolgreich eine digitale Plattform in Zusammenarbeit mit dem Start-up YoungComp zu entwickeln. Diese Enabler reichen von der Adoption einer Service-Ökosystem-Perspektive über den Aufbau vertrauensvoller Beziehungen auf Augenhöhe bis hin zur Integration diverser Wissens- und Fähigkeitsbereiche und der Ausstattung autonomer Veränderungsteams.

Eine wesentliche Erkenntnis der Studie ist, dass die erfolgreiche Transformation zu einem digitalen Plattformanbieter nicht nur technologische Anpassungen erfordert, sondern auch einen tiefgreifenden Wandel in der Unternehmenskultur und den Arbeitsweisen. Die Fähigkeit, Chancen zu erkennen und zu ergreifen, ist dabei ebenso entscheidend wie die Bereitschaft, aus dem Feedback der Nutzer zu lernen und die Plattform iterativ zu verbessern. Die Einigung auf eine gemeinsame Vision und der Aufbau eines Klimas des Vertrauens zwischen allen Beteiligten sind grundlegend für eine effektive Zusammenarbeit und die Realisierung der digitalen Transformation. Die Fallstudie zeigt auch, dass die Kooperation mit externen Partnern, wie Start-ups, wertvolle Ressourcen und neue Perspektiven in den Transformationsprozess einbringen kann. Durch die Kombination der Stärken und Ressourcen beider Unternehmen konnte eine leistungsfähige Plattform geschaffen werden, die sowohl den Kundenbedürfnissen entspricht als auch neue Geschäftsmodelle ermöglicht.

Schließlich unterstreicht die Fallstudie die Bedeutung von Autonomie und flexibler Entscheidungsfindung in Transformationsprojekten. Die Ausstattung spezialisierter Teams mit den notwendigen Ressourcen und Entscheidungsbefugnissen ermöglicht schnelle Anpassungen und fördert Innovationen. Insgesamt liefert die Fallstudie wertvolle Lehren für andere Industrieunternehmen, die vor der Herausforderung der digitalen Transformation stehen. Sie verdeutlicht, dass ein holistischer Ansatz, der sowohl technische Innovationen als auch organisatorische und kulturelle Veränderungen umfasst, entscheidend für den Erfolg ist.

Quelle: Riefle, L., Eisold, M., & Benz, C. (2021). Industrial Corporation’s Transformation into a Digital Platform Provider: A Case Study on Enablers. In 2021 IEEE 23rd Conference on Business Informatics (CBI) (Vol. 1, pp. 131-140). IEEE.

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