Der Datenaustausch zwischen Unternehmen (B2B) spielt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung smarter Produkt-Service-Systeme. Er ermöglicht es Unternehmen, wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen, Prozesse zu optimieren und innovative Lösungen zu schaffen. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) kann die effektive Nutzung von Datenaustauschplattformen und die Zusammenarbeit im Ökosystem entscheidende Vorteile bringen. In diesem Abschnitt werden verschiedene Wege des Datenaustauschs in B2B-Beziehungen vorgestellt. Diese Beschreibungen sollen KMU dabei helfen, die für sie passenden Modelle und Strategien für die Entwicklung smarter Produkt-Service-Systeme zu identifizieren und umzusetzen.
Die Datenmonetarisierung bezieht sich auf den Prozess, bei dem Unternehmen Daten, die sie generieren oder besitzen, in wirtschaftlichen Wert umwandeln. Dies kann direkt durch den Verkauf von Daten oder indirekt durch die Nutzung von Daten zur Verbesserung von Produkten oder Dienstleistungen geschehen.
Praxisbeispiel: Van den Borne Aardappelen, ein landwirtschaftlicher Betrieb, nutzt präzise Boden- und Erntedaten, um diese Informationen an Unternehmen im Agrochemie- und Saatgutsektor zu verkaufen. Durch die Bereitstellung spezifischer Daten, wie Bodenbeschaffenheit und Wachstumsbedingungen, können diese Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen besser auf die Bedürfnisse der Landwirte abstimmen.
Datenmarktplätze sind Plattformen, die den Kauf und Verkauf von Daten zwischen Unternehmen erleichtern. Sie agieren als Mittler, der Datentransaktionen sicher und effizient macht, indem sie einen gemeinsamen Marktplatz für Datenanbieter und Datennutzer bieten.
Praxisbeispiel: Dawex, ein globaler Datenmarktplatz, ermöglicht es Unternehmen, Daten sicher und transparent auszutauschen. Unternehmen, die Daten benötigen, um ihre Geschäftsmodelle oder Analysen zu verbessern, können über Dawex auf eine Vielzahl von Datenquellen zugreifen, während Anbieter von Daten eine neue Einnahmequelle erschließen können.
Industrielle Datenplattformen fördern einen kollaborativen Ansatz zum Datenaustausch innerhalb einer bestimmten Branche oder eines Ökosystems. Sie bieten eine sichere Umgebung für den Datenaustausch, um gemeinsame Effizienzsteigerungen und Innovationen zu ermöglichen.
Praxisbeispiel: Airbus hat mit Skywise eine Plattform geschaffen, die Luftfahrtunternehmen, Zulieferer und Partner zusammenbringt, um operative Daten zu teilen und auszutauschen. Durch die Analyse dieser gemeinsam genutzten Daten können alle Beteiligten operative Abläufe optimieren und präventive Wartungsstrategien entwickeln.
Technische Enabler bieten die Infrastruktur und Tools, die den Datenaustausch zwischen Unternehmen erleichtern. Sie bieten oft spezialisierte Dienste an, die auf die Bedürfnisse bestimmter Branchen oder Datentypen zugeschnitten sind.
Praxisbeispiel: DKE-Data entwickelt Lösungen, die es Unternehmen ermöglichen, ihre Daten über Web- und Cloud-basierte Plattformen zu teilen. Diese Tools bieten eine flexible und skalierbare Möglichkeit, Daten zu teilen und gleichzeitig Kontrolle und Sicherheit zu gewährleisten.
Eine offene Datenpolitik bezieht sich auf die Praxis, Daten ohne Einschränkungen für die öffentliche Nutzung freizugeben. Unternehmen, die eine solche Politik verfolgen, bieten ihre Daten kostenlos an, um Transparenz zu fördern und die Entwicklung neuer Dienstleistungen und Anwendungen zu ermöglichen.
Praxisbeispiel: Elering, der estnische Übertragungsnetzbetreiber für Elektrizität, teilt Daten über Energieerzeugung und -verbrauch öffentlich, um Innovationen im Energiemarkt zu fördern und die Entwicklung neuer Anwendungen zu unterstützen, die zur Effizienzsteigerung und Nachhaltigkeit beitragen können.
Folgende Abbildung bietet einen Überblick über oben aufgeführte und weitere Wege des Datenaustauschs sowie verwandte Konzepte:
Quelle: Arnaut, C., Pont, M., Scaria, E., Berghmans, A., & Leconte, S. (2018). Study on data sharing between companies in Europe (Final report). A study prepared for the European Commission DG Communications Networks, Content & Technology. https://doi.org/10.2759/354943
Die Art und Weise, wie Daten zwischen Unternehmen ausgetauscht werden, kann die Entwicklung smarter Produkt-Service-Systeme (Smart PSS) erheblich beeinflussen. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ist es wichtig, die verschiedenen Konstellationen des Datenaustauschs zu verstehen, um die Potenziale voll ausschöpfen zu können. Im Folgenden werden sechs Mehrwert-Konstellationen des Datenaustauschs beschrieben, die jeweils unterschiedliche Szenarien und Wertflüsse darstellen.
Im bilateralen Datenaustausch teilen zwei Unternehmen direkt Daten miteinander, wobei der Wertfluss zwischen Datenanbieter und Datennutzer klar definiert ist. Diese Konstellation kann in zwei Szenarien unterteilt werden: den direkten Datenaustausch und den einwilligungsbasierten Datenaustausch.
Direkter Datenaustausch (Variante 1): Hierbei erfolgt der Austausch von Daten direkt zwischen dem Anbieter, der die Daten sammelt, und dem Nutzer, der diese Daten für weitere Zwecke verwendet. Ein beispielhafter Fall ist die Kooperation zwischen Greiner Packaging International GmbH und OBUU. Greiner teilt maschinenlogistische Daten und Produktionsaufträge, die OBUU nutzt, um die Effizienz und Resilienz der Lieferkette zu verbessern. Durch die Analyse dieser Daten konnte Greiner signifikante Investitionen reduzieren und somit Kosten einsparen. Die Gegenleistung für den Datenanbieter besteht nicht nur in monetärer Form, sondern oft auch in Dienstleistungen, die den Wert der geteilten Daten erhöhen.
Einwilligungsbasierter Datenaustausch (Variante 2): Bei persönlich identifizierbaren Daten, wie Kundendetails, erfordert der Datenaustausch die explizite Zustimmung des Datenbesitzers. Dies gewährleistet die Einhaltung gesetzlicher Datenschutzbestimmungen. Die Datenfreigabe erfolgt nur nach Erhalt dieser Zustimmung. Dieses Modell betont die Wichtigkeit der Einbeziehung des Datenbesitzers in den Austauschprozess, um Transparenz und Vertrauen zu sichern.
Der serviceorientierte Datenaustausch erweitert das Modell des bilateralen Datenaustauschs, indem Dienstleister als Vermittler fungieren, die datenbasierte Services auf Grundlage der geteilten Daten entwickeln und anbieten.
In diesem Modell sammeln Dienstleister Daten von verschiedenen Quellen und nutzen diese, um spezifische Services zu entwickeln. Diese Services werden dann entweder direkt den Datennutzern oder weiteren Servicekonsumenten angeboten. Ein illustratives Beispiel ist das Projekt "Smart Cleaning", in dem ein Reinigungsunternehmen Sensordaten verwendet, um den Bedarf an Seifennachfüllungen oder Reinigungen zu ermitteln. Der Sensoranbieter liefert die Daten, die von einem Softwareanbieter analysiert werden, um effizienzsteigernde Informationen zu generieren. Diese Informationen werden über ein Dashboard dem Reinigungsunternehmen zur Verfügung gestellt, das daraufhin entsprechende Maßnahmen ergreift.
Der Schlüssel zum Erfolg in dieser Konstellation liegt in der Fähigkeit, aus rohen Daten wertvolle Einsichten oder Dienstleistungen zu generieren. Dies erfordert oft fortschrittliche Analysemethoden oder die Kombination verschiedener Datenquellen. Die Rolle des Dienstleisters ist hierbei zentral, da sie die Brücke zwischen dem reinen Datenaustausch und der praktischen Anwendung oder dem Nutzen der Daten bildet.
Zentrale und dezentrale Marktplätze ermöglichen den Austausch von Daten über eine Plattform, die als Vermittler zwischen Datenanbietern und -nutzern fungiert.
Zentraler Marktplatz (Variante 1): Diese Form des Datenaustauschs nutzt eine zentrale Plattform, um Datenanbietern und -nutzern einen gemeinsamen Marktplatz für den Austausch von Daten zu bieten. Datenanbieter können ihre Daten auf dem Marktplatz listen, wo sie von interessierten Nutzern gefunden und erworben werden können. Ein Beispiel hierfür ist Caruso, ein Datenmarktplatz, der Daten rund um das Automobil von verschiedenen Herstellern sammelt und diese Informationen Versicherungen, Reparaturwerkstätten oder anderen Dienstleistern zur Verfügung stellt. Dies ermöglicht es Unternehmen, aus den bereitgestellten Daten neue Services oder Produkte zu entwickeln und bietet den Datenanbietern eine zusätzliche Einnahmequelle.
Dezentraler Marktplatz (Variante 2): Im Gegensatz zum zentralen Marktplatz erfolgt der eigentliche Datenaustausch direkt zwischen dem Anbieter und dem Nutzer, basierend auf den Metadaten, die auf dem Marktplatz gelistet sind. Der Marktplatz dient hier lediglich als Vermittler, der die Auffindbarkeit der Daten durch Katalogisierung der Metadaten verbessert und den initialen Kontakt zwischen Anbietern und Nutzern erleichtert. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist Advaneo, das einen Datenkatalog bereitstellt, in dem Nutzer nach verfügbaren Daten suchen können. Die tatsächliche Übertragung der Daten erfolgt jedoch direkt zwischen den beteiligten Parteien, ohne dass der Marktplatz als Zwischenhändler für die Daten selbst fungiert.
Daten-Treuhandstellen gewährleisten einen sicheren und vertrauensvollen Datenaustausch, indem sie die Einhaltung rechtlicher und sicherheitstechnischer Standards sicherstellen.
Diese Konstellation fokussiert auf das Vertrauen und die Sicherheit beim Datenaustausch. Daten-Treuhandstellen agieren als vertrauenswürdige Dritte, die den sicheren und rechtskonformen Austausch von Daten zwischen Anbietern und Nutzern gewährleisten. Sie bieten oft zusätzliche Dienstleistungen wie die Anonymisierung oder Pseudonymisierung von Daten an, um Datenschutzbestimmungen einzuhalten. Ein Beispiel ist TÜV Rheinland mit seinem Trusted Data Centre, das Daten von Autofahrern unter strengen Datenschutzauflagen für die Entwicklung von Dienstleistungen nutzt. Die Treuhandstelle stellt sicher, dass alle Daten gemäß den gesetzlichen Vorgaben und den Richtlinien der Datenanbieter verwendet werden, und ermöglicht es den Datenanbietern, die Nutzung ihrer Daten kontinuierlich zu überwachen.
Daten-Treuhandstellen bieten eine Lösung für das Dilemma zwischen dem Bedürfnis nach Datennutzung und dem Schutz der Privatsphäre oder Geschäftsgeheimnissen. Indem sie einen sicheren Rahmen für den Datenaustausch schaffen, ermöglichen sie es Unternehmen, von gemeinsam genutzten Daten zu profitieren, ohne dabei Risiken im Hinblick auf Datenschutzverletzungen oder den Verlust von Wettbewerbsvorteilen einzugehen. Diese Konstellation ist besonders wertvoll für KMUs, die möglicherweise nicht die Ressourcen haben, um komplexe Datenschutzanforderungen selbstständig zu managen, und bietet ihnen die Möglichkeit, an größeren Datenökosystemen teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen.
Gegenseitiger Datenaustausch und datenbasierte Gegenleistungen sind Kern dieser Konstellation, bei der Datenanbieter und -nutzer über eine Plattform Daten austauschen, um gemeinsam Werte zu schaffen.
Diese Konstellation ermöglicht es Datenanbietern und -nutzern, über eine zentrale Plattform miteinander zu interagieren und Daten auszutauschen. Die Plattform dient als Mittler, der nicht nur die technische Infrastruktur für den Austausch bereitstellt, sondern auch den Mehrwert durch die Aggregation und Analyse der geteilten Daten maximiert. Ein praktisches Beispiel ist die Skywise-Plattform von Airbus, die es Airlines und anderen Akteuren der Luftfahrtindustrie ermöglicht, Daten zu teilen und gemeinsam zu nutzen. Durch den Austausch von Betriebs-, Wartungs- und Flugdaten können alle Beteiligten ihre Betriebseffizienz verbessern und präventive Wartungsstrategien entwickeln.
In dieser Konstellation teilen Datenanbieter ihre Informationen mit der Plattform, die diese Daten dann analysiert und darauf basierende Dienstleistungen oder Analysen anbietet. Die Datenplattform agiert somit nicht nur als Vermittler, sondern auch als Anbieter von Mehrwertdiensten. Ein Beispiel hierfür ist CDQ, ein Unternehmen, das Datenqualitätsdienste anbietet. Datenanbieter können ihre Stammdaten hochladen, die CDQ dann bereinigt, anreichert und verbessert zurückgibt. Dieses Modell zeigt, wie Datenplattformen nicht nur den Austausch, sondern auch die Aufwertung von Daten unterstützen können.
Datenspaces bieten eine gemeinsame Infrastruktur für den Datenaustausch zwischen einer Vielzahl von Akteuren. Sie ermöglichen es Unternehmen, Daten unter Einhaltung strenger Sicherheits- und Datenschutzstandards zu teilen. Im Gegensatz zu zentralisierten Datenplattformen sind Datenspaces oft dezentral organisiert und bieten eine offene und erweiterbare Umgebung für Datenökosysteme.
Ein beispielhaftes Modell für einen Datenspace ist das Smart Connected Supplier Network (SCSN) in der Fertigungsindustrie. Es bietet einen standardisierten Rahmen für den effizienten Datenaustausch innerhalb von Lieferketten. Hersteller, Zulieferer und Dienstleister können über diesen Datenspace Daten sicher teilen und nutzen, um die Koordination in der Lieferkette zu verbessern und Prozesseffizienz zu steigern. Serviceanbieter innerhalb des Datenspaces bieten zusätzliche Dienstleistungen wie die Integration von Datenquellen oder die Entwicklung spezifischer Anwendungen, die den Nutzen der geteilten Daten maximieren.
Datenspaces unterstreichen die Bedeutung einer robusten technischen Infrastruktur und eines starken Ökosystems von Partnern, die zusammenarbeiten, um Daten sicher und effektiv zu teilen. Sie ermöglichen es KMUs, Teil eines größeren Netzwerks zu werden, und bieten Zugang zu Daten und Ressourcen, die sonst außerhalb ihrer Reichweite liegen würden. Durch die Teilnahme an Datenspaces können Unternehmen ihre eigenen Datenwerte maximieren und gleichzeitig von den Daten und Dienstleistungen anderer Netzwerkmitglieder profitieren.
Die Wahl der passenden Mehrwert-Konstellation des Datenaustauschs kann KMU dabei helfen, ihre Datenstrategie effektiv auszurichten und die Entwicklung smarter PSS voranzutreiben. Durch das Verständnis dieser Konstellationen können Unternehmen die Chancen, die sich aus der digitalen Transformation ergeben, besser nutzen und innovative Lösungen entwickeln, die sowohl ihren eigenen Wert als auch den ihrer Kunden und Partner steigern.
Quelle: Jussen, I.; Fassnacht, M.; Schweihoff, J.; Möller, F. (2024). Reaching for the Stars: Exploring Value Constellations in Inter-Organizational Data Sharing. Working Paper.
In der Landschaft der Datenteilungsmodelle existiert eine große Vielfalt an Optionen, die von grundlegender Bedeutung für Unternehmen, wissenschaftliche Institutionen und zivilgesellschaftliche Organisationen sind. Eine fundierte Entscheidung über den Datenaustausch erfordert nicht nur ein tiefgehendes Verständnis der verschiedenen Modelle, sondern auch eine klare Orientierung hinsichtlich ihrer Einordnung und Anwendung.
Daten können aus drei Perspektiven betrachtet werden – als privates Gut, öffentliches Gut oder Gemeingut. Diese Sichtweisen beeinflussen, wie Daten reguliert, geteilt und genutzt werden sollten. Beispielsweise kann die Ansicht von Daten als privates Gut die Monetarisierung und den individuellen Austausch von Daten fördern. Im Gegensatz dazu betont die Perspektive der Daten als öffentliches oder Gemeingut die Bedeutung der Daten für das Gemeinwohl und die Notwendigkeit einer breiteren Zugänglichkeit und Nutzung.
Die Frage, wer über die Teilung von Daten entscheidet, kann auf unterschiedliche Weisen beantwortet werden – durch das Individuum, den Staat, Gemeinschaften oder Treuhänder. Jeder dieser Ansätze hat spezifische Vor- und Nachteile und passt zu unterschiedlichen Datenteilungsszenarien. Beispielsweise könnten Datenkooperativen oder Datentreuhändermodelle eine gemeinschaftliche oder treuhänderische Verwaltung und Nutzung von Daten ermöglichen, was besonders für sensible oder personenbezogene Daten relevant sein kann.
Die Verfügbarkeit und der Zugang zu Daten allein garantieren noch keinen gesellschaftlichen Nutzen oder einen fairen Wettbewerb. Vielmehr kann eine erhöhte Datenverfügbarkeit ohne entsprechende regulatorische Maßnahmen zu einer weiteren Konzentration von Macht führen. Förderprogramme für Start-ups, Kompetenzaufbau und die Anwendung kartellrechtlicher Instrumente sind Beispiele für Maßnahmen, die helfen können, einer solchen Machtkonzentration entgegenzuwirken und einen vielfältigeren und gerechteren Datenzugang zu fördern.
Es ist entscheidend, Datenteilungsmodelle so zu gestalten, dass sie algorithmische Vielfalt unterstützen und gleichzeitig die Qualität und Repräsentativität der Daten sicherstellen. Dies beinhaltet Überlegungen zur Quantität und Qualität der Daten sowie zur gesellschaftlichen Relevanz der Datennutzung.
Die Entwicklung und Erprobung von Datenteilungsmodellen stehen noch am Anfang. Es gibt bereits einige bewährte Modelle wie Datenpools und Open Data-Ansätze, aber auch neuere Konzepte wie Datentreuhänder, die weiterentwickelt und in der Praxis getestet werden müssen. Die Vielfalt der Modelle reicht von top-down-regulatorischen Ansätzen bis zu Bottom-up-Initiativen wie Datenkooperativen. Eine Herausforderung besteht darin, klare Definitionen und Begrifflichkeiten zu schaffen und die Modelle praktisch zu erproben, um belastbare Erfahrungen für ihre Beurteilung zu sammeln.
Für KMU bedeutet dies, sich aktiv mit den verschiedenen Modellen und deren Implikationen auseinanderzusetzen, um informierte Entscheidungen über den Datenaustausch treffen zu können. Dies erfordert ein Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen, der potenziellen Risiken und Chancen sowie der strategischen Ausrichtung des eigenen Unternehmens im Kontext der digitalen Transformation und der Entwicklung smarter Produkt-Service-Systeme.
Quelle: Pawelke, A.; (2020). Daten teilen, aber wie? Ein Panorama der Datenteilungsmodelle. Bertelsmann Stiftung.
Der Austausch von Daten zwischen Organisationen im privaten Sektor birgt ein erhebliches Potenzial für gemeinsame Wertschöpfung und Innovation neuer Dienstleistungen. Doch trotz dieser Erkenntnis stehen viele Unternehmen vor erheblichen Herausforderungen, die einen effektiven Datenaustausch behindern. Im Folgenden werden Barrieren aus strategischer, operativer, technologischer, kultureller und regulatorischer Perspektive beleuchtet, die auf Erkenntnissen aus Experteninterviews und wissenschaftlichen Studien basieren.
Diese Barrieren verdeutlichen die Komplexität und die vielschichtigen Herausforderungen, die Unternehmen beim Datenaustausch bewältigen müssen. Es wird deutlich, dass eine erfolgreiche Umsetzung von Datenaustauschprojekten eine umfassende Strategie erfordert, die alle diese Perspektiven berücksichtigt und adressiert.
Quelle: Fassnacht, M., Benz, C., Heinz, D., Leimstoll, J., & Satzger, G. (2023). Barriers to Data Sharing among Private Sector Organizations. In Hawaii International Conference on Systems Sciences (HICSS-56).
Die Landschaft digitaler Innovationsplattformen für die Zusammenarbeit im B2B-Bereich ist vielfältig und komplex. Basierend auf einer Analyse von 63 realen Plattformfällen und bestehender Literatur lassen sich diese Plattformen anhand von drei wesentlichen Eigenschaften klassifizieren: Wertgenerierung, Architektur und Akteursökosystem. Diese Eigenschaften werden in 17 Dimensionen spezifiziert, die ein tiefgreifendes Verständnis der Unterscheidungsmerkmale ermöglichen.
Die Wertgenerierung digitaler B2B-Co-Creation Plattformen wird durch eine Reihe von Dimensionen charakterisiert, die das einzigartige Wertangebot der Plattform und die Art und Weise, wie dieser Wert geschaffen wird, beschreiben. Diese Dimensionen umfassen das Kernwertangebot, die Möglichkeiten zur Erweiterung der Plattform, das primäre Austauschmedium und die Einnahmeströme von Nutzern sowie Komplementoren.
Das Kernwertangebot bezieht sich auf die zentralen Fähigkeiten, die von der Plattform angeboten werden:
Diese Dimension beschreibt, wie Nutzer die Plattform nach ihren Bedürfnissen erweitern können:
Diese Dimnesion unterscheidet verschiedene mögliche Medien des Austauschs:
Hier werden verschiedene mögliche Einnahmeströme als Gegenleistung für das Plattformangebot unterschieden:
Die Architektur digitaler Innovationsplattformen für B2B-Co-Creation definiert das fundamentale organisatorische Layout der Plattform, einschließlich ihrer Komponenten und Steuerungsprinzipien. Diese Dimensionen beleuchten, wie die Plattform in die IT-Systeme von Unternehmen integriert wird, welche Unterstützung den Teilnehmern geboten wird und wie die Plattform hinsichtlich Offenheit konzipiert ist.
Die Integration der Plattform in die IT-Systeme eines Unternehmens kann verschiedene Formen annehmen:
Die Offenheit der Plattform bezieht sich darauf, wie offen die Plattform für externe Modifikationen am zugrundeliegenden Code und die Integration mit der Plattform ist:
Diese Dimension beschreibt, wer die Entscheidungsgewalt innerhalb der Plattform hält:
Diese Dimension erfasst, wie offen die Plattform für Komplementoren ist:
Die Art der Unterstützung, die Plattformen für ihre Teilnehmer anbieten, variiert stark:
Das Akteursökosystem beschreibt die Teilnehmer einer Plattform und ihre Rollen. Es bietet einen Überblick über die Herkunft der Plattform, die geografische sowie Branchenausrichtung, den Plattformbesitzer und dessen Hintergrund sowie die Komplementoren, einschließlich der Anreize für ihre Teilnahme.
Diese Dimension erfasst, ob sich eine Plattform auf eine einzelne oder mehrere Industrien fokussiert:
Diese Dimension unterscheidet die Herkunft der Plattformlösung:
Plattformen können verschiedene Grade der geografischen Verteilung aufweisen:
Hier werden verschiedene mögliche Szenarien, wer die Plattform besitzt unterschieden:
Der industrielle Hintergrund des Plattformbesitzers gilt als weiteres qualifizierendes Merkmal:
Beschreibt die Arten von Komplementären, die auf der Plattform aktiv sind. Diese drei Arten von Komplementären können in fünf verschiedenen Kombinationen oder gar nicht auftreten, was der Fall ist, wenn der Plattformbetreiber alle Dienste selbst anbietet.
Plattformen können verschiedene Anreize zur Teilnahme am Angebot der Plattform bieten:
Um die mögliche Anwendung des Klassifikationsschemas für digitale B2B-Co-Creation Plattformen zu demonstrieren, wurde eine umfassende Evaluation durchgeführt. Diese Evaluation involvierte acht Experten, die sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Perspektive ausgewählt wurden, um zwei reale Plattformen – Siemens MindSphere und Telekom Data Intelligence Hub – mit dem Schema zu klassifizieren. Diese beiden Plattformen wurden aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit und der umfangreichen öffentlich verfügbaren Informationen ausgewählt. Besonders hervorzuheben ist in den Evaluationsergebnissen die hohe Übereinstimmung der Klassifikation zwischen den Experten (Siemens Fall: 69,9%, Telekom Fall: 70,1%), was die Konsistenz des Schemas unterstreicht. Zudem ist in der nachfolgenden Abbildung die Häufigkeit der verschiedenen Merkmale über all untersuchten Fälle hinweg dargestellt.
Siemens MindSphere ist eine internationale IIoT-Plattform, die in mehreren vertikalen Industrien operiert. Sie bietet umfangreiche Wertschöpfungsmöglichkeiten durch end-to-end Integration, eine Low-Code-Umgebung und die Möglichkeit, Open-Source-Software zu integrieren. Die Plattform ermöglicht es Kunden, ihre Maschinen und Ausrüstungen anzubinden, um Daten und wertsteigernde Dienstleistungen auszutauschen. Das Ökosystem umfasst Siemens als Großunternehmen, Kunden aus dem Expertisebereich von Siemens (z.B. Automatisierung, Steuerung und Ausrüstungssysteme) sowie Technologiepartner und Komplementoren, die Integrationsunterstützung bieten. Komplementoren erhalten sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Anreize zur Teilnahme, müssen jedoch bestimmte Bedingungen erfüllen und eine Abonnementgebühr entrichten.
Im Gegensatz dazu fokussiert der Telekom Data Intelligence Hub, eine internationale Plattform, auf den Datenaustausch. Telekom, mit einem Hintergrund in Telekommunikations- und Carrier-Systemen, behält die alleinige Entscheidungskontrolle über die Plattform, die von einem breiten Spektrum an Kunden genutzt wird, die hauptsächlich außerhalb von Telekoms Kernexpertise liegen. Nutzer können die Plattform durch Open-Source-Schnittstellen erweitern, externe Entwickler dürfen jedoch den zugrundeliegenden Code nicht erweitern. Alle Arten von Komplementoren können ohne Bezahlung beitreten, wobei Telekom keine expliziten Teilnahmeanreize bietet.
Die Anwendungsdemonstration des Klassifikationsschemas verdeutlicht die Vielfalt und Unterschiedlichkeit digitaler B2B-Co-Creation Plattformen. Besonders auffällig ist die häufige Präsenz der Kernwertangebote Cloud PaaS und IIoT Enablement. Die Mehrheit der Plattformen (57%) bietet mindestens eine Option zur Erweiterbarkeit, und die Einnahmemodelle variieren stark, tendieren jedoch zu abonnementbasierten Modellen. Bei der Plattformarchitektur dominiert die end-to-end Integration und ein Open-Source-Ansatz zur Plattformoffenheit. Diese Evaluation und die Fallbeispiele unterstreichen die praktische Anwendbarkeit und die Fähigkeit des Klassifikationsschemas, B2B-Co-Creation Plattformen präzise zu charakterisieren, was für Entscheidungsträger in Unternehmen wertvolle Orientierungshilfen bietet.
Quelle: Abendroth, J., Riefle, L., & Benz, C. (2021). Opening the black box of digital B2B co-creation platforms: a taxonomy. In Innovation Through Information Systems: Volume II: A Collection of Latest Research on Technology Issues (pp. 596-611). Springer International Publishing.
Die rasante Entwicklung der Sensortechnologie, begünstigt durch sinkende Kosten und erhöhte Konnektivität, treibt die Verbreitung und Komplexität des Internets der Dinge (IoT) und sogenannter cyber-physischer Systeme voran. Heutzutage speisen Milliarden von Sensoren Informationssysteme mit Daten über physische Phänomene wie Temperatur, Druck, Feuchtigkeit und mehr. Diese Daten sind ein wesentlicher Baustein für KI-basierte Informationssysteme, die maschinelles Lernen nutzen und auf Analysen basierende Lösungen generieren. Insbesondere bilden Sensordaten die Grundlage für digitale Zwillinge, die als digitale Duplikate realer Vermögenswerte in der physischen Welt auf kontinuierlicher Datenerfassung durch Sensortechnologie beruhen. Die rasante Zunahme von Sensoren und deren Daten unterstreicht die Bedeutung und das Potenzial, das in der intelligenten Nutzung dieser Technologien liegt. Die Herausforderung besteht darin, aus der Fülle an Rohdaten sinnvolle Informationen zu extrahieren und nutzbar zu machen.
Sensoren als technische Geräte erfassen kontinuierlich Signale aus ihrer Umgebung. Während physische Sensoren direkt auf Stimuli wie Temperatur oder Druck reagieren und diese über elektrische Signale übertragen, bieten virtuelle Sensoren eine innovative Ergänzung. Diese rein softwarebasierten Sensoren aggregieren und analysieren Daten von einem oder mehreren physischen Sensoren und schaffen so neue Möglichkeiten zur Datennutzung und -verarbeitung. Virtuelle Sensoren können Limitationen physischer Sensoren überwinden, wie beispielsweise hohe Kosten, Signalrauschen, Genauigkeitsverlust über Zeit oder technische Einschränkungen durch räumliche oder umweltbedingte Bedingungen.
Die Anwendung virtueller Sensoren erstreckt sich von der einfachen Aggregation und Reinigung von Sensordaten bis hin zur Messung von nicht direkt erfassbaren Zuständen oder Eigenschaften. Dies eröffnet neue Wege zur Überwachung und Steuerung komplexer Systeme und Prozesse. Beispielsweise können virtuelle Sensoren in digitalen Zwillingen genutzt werden, um eine kontinuierliche und präzise Abbildung eines physischen Assets zu gewährleisten, was eine effizientere Prozesssteuerung und präventive Wartungsstrategien ermöglicht.
Eine der größten Herausforderungen bei der Nutzung physischer Sensoren sind die damit verbundenen Kosten, nicht nur in Bezug auf die Anschaffung, sondern auch auf die Wartung und den Ersatz. Zudem können physische Sensoren aufgrund von räumlichen Einschränkungen, Umweltbedingungen oder der Notwendigkeit, nicht direkt messbare Variablen zu erfassen, an ihre Grenzen stoßen. Virtuelle Sensoren bieten eine innovative Lösung für diese Herausforderungen, indem sie Daten von einem oder mehreren physischen Sensoren aggregieren und verarbeiten, um neue Einsichten zu gewinnen oder indirekt messbare Variablen abzuleiten. Sie bieten folgende Vorteile:
Virtuelle Sensoren repräsentieren einen bedeutenden Fortschritt in der Art und Weise, wie Daten in der vernetzten Welt gesammelt, analysiert und genutzt werden. Durch die Überwindung der Einschränkungen physischer Sensoren ermöglichen sie eine kosteneffiziente, flexible und tiefgreifende Analyse der physischen Welt, was die Grundlage für innovative Lösungen und verbesserte Entscheidungsfindung in einer Vielzahl von Anwendungsbereichen bildet.
Ein Beispiel für die Anwendung virtueller Sensoren ist die Überwachung der Luftqualität in Städten. Anstatt in jedem Stadtteil physische Sensoren zu installieren, könnten vorhandene Datenquellen wie Wetterstationen, Verkehrsinformationen und Satellitendaten kombiniert werden, um ein detailliertes Bild der Luftqualität zu erstellen. Ein weiteres Beispiel ist die präventive Wartung in der Industrie. Virtuelle Sensoren können Daten aus verschiedenen Quellen wie Maschinensensoren, Produktionsplänen und historischen Wartungsdaten zusammenführen, um den optimalen Zeitpunkt für Wartungsarbeiten vorherzusagen.
Virtuelle Sensoren stellen eine transformative Komponente in der Architektur moderner Informations- und Überwachungssysteme dar. Sie ermöglichen es, komplexe, dynamische und vielschichtige Datenströme aus der realen Welt in nutzbare Informationen umzuwandeln, die für die Überwachung, Steuerung und Optimierung von Prozessen verwendet werden können. Im Folgenden wird das Konzept der virtuellen Sensoren vertieft und in verschiedene Anwendungsebenen untergliedert.
Ein virtueller Sensor besteht aus mehreren Kernkomponenten:
Die Anwendungsebenen von virtuellen Sensoren reichen von einfachen, direkten Spiegelungen physischer Sensordaten bis hin zu komplexen, dynamischen Fusionen verschiedener Datensätze. Während die Sensorvirtualisierung eine direkte, wenn auch möglicherweise verbesserte Darstellung von Sensordaten bietet, erlauben höhere Ebenen des Sensings eine präzisere und zuverlässigere Erfassung und Interpretation von Umgebungsbedingungen. Das konkurrenzfähige Sensing erhöht die Genauigkeit durch Redundanz, während das statische und dynamische kooperative Sensing durch die Integration verschiedener Datentypen und die flexible Anpassung an Veränderungen eine tiefere Ebene der Datenanalyse und -interpretation ermöglicht. Diese fortschrittlichen Anwendungen virtueller Sensoren bieten einen erheblichen Mehrwert für komplexe Systeme, indem sie die Effizienz steigern, die Wartung optimieren und neue Möglichkeiten für prädiktive Analysen und automatisierte Entscheidungsfindung eröffnen. Hier eine detaillierte Gegenüberstellung dieser Ebenen:
Das Konzept der virtuellen Sensoren spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung effektiver und effizienter cyber-physischer Systeme und IoT-basierter Lösungen. Die Anwendungsebenen virtueller Sensoren, von der einfachen Sensorvirtualisierung bis hin zu dynamischen kooperativen Sensing-Ansätzen, verdeutlichen die Vielfalt der Möglichkeiten, Daten aus der physischen Welt zu erfassen und zu nutzen. Der effektive Einsatz dieser Technologien erfordert jedoch ein tiefes Verständnis für Systemdenken und die Fähigkeit, über traditionelle Systemgrenzen hinaus zu agieren.
Das Systemdenken betont die Notwendigkeit, Datenquellen über einzelne Vermögenswerte und organisatorische Einheiten hinweg zu integrieren, um die Genauigkeit, Zuverlässigkeit und den Informationswert virtueller Sensoren zu erhöhen. Dieser integrative Ansatz ermöglicht es, Verbindungen und Korrelationen zwischen individuellen Systemkomponenten zu erkennen und zu nutzen, was wiederum neue Wege für die Gestaltung von Informationssystemen und die gemeinsame Wertschöpfung eröffnet. Der effektive Einsatz virtueller Sensoren stellt Organisationen vor die Herausforderung, die Systemgrenzen zu erweitern und interoperable, vernetzte Lösungen zu entwickeln. Dies erfordert nicht nur technische Lösungen für die Standardisierung von Daten, den Austauschplattformen und die Kommunikationsbandbreite, sondern auch einen kulturellen Wandel in der Wahrnehmung von Daten als wertvolle Ressource, die geteilt und kommerzialisiert werden kann, um gegenseitige Vorteile zu schaffen. Ein illustratives Beispiel für den potenziellen Nutzen dieser Ansätze ist die Nutzung von Regensensordaten aus Fahrzeugflotten, um lokale Wettervorhersagemodelle zu verbessern. Solche Szenarien verdeutlichen die Notwendigkeit einer IoT-Plattform, die in der Lage ist, eine Vielzahl von Daten von verschiedenen Akteuren sicher zu verwalten, den Zugang zu diesen Daten zu regeln und die Datenquellen effizient zu filtern.
Die Entwicklung effektiver virtueller Sensoren erfordert ein Systemdenken, das darauf abzielt, Datenquellen über Vermögenswerte und Organisationen hinweg zu nutzen. Der Zugriff auf eine breitere Datenbasis kann die Leistung von Sensoren verbessern und die Entwicklung komplexerer virtueller Sensoren ermöglichen, die Verbindungen und Korrelationen zwischen einzelnen Systemkomponenten nutzen. Dies öffnet neue Wege für die Gestaltung von Informationssystemen und die gemeinsame Wertschöpfung. Die Erweiterung der Systemgrenzen um zusätzliche Ressourcen aus dem erweiterten System kann die Genauigkeit und Leistung virtueller Sensoren erhöhen, erfordert jedoch auch die Entwicklung von Designwissen und konkreten Methoden zur systematischen Entwicklung virtueller Sensorkonzepte über Vermögenswerte und Organisationen hinweg. Dazu gehören auch die wirtschaftliche Bewertung der Vorteile höherer Präzision und die Kosten für die Erweiterung der Systemgrenzen. Zusammenfassend ist der Einsatz virtueller Sensoren ein vielversprechender Ansatz, um die Herausforderungen physischer Sensoren zu überwinden und gleichzeitig die Grundlage für fortgeschrittene cyber-physische Systeme und IoT-basierte Lösungen zu legen. Die Entwicklung und Anwendung virtueller Sensoren erfordert jedoch ein tiefgreifendes Verständnis der zugrundeliegenden Technologien, der Systemintegration und der Datenverarbeitung.
Quelle: Martin, D., Kühl, N., & Satzger, G. (2021). Virtual sensors. Business & Information Systems Engineering, 63, 315-323.
Die Erstellung einer Referenzarchitektur für industrielle IoT-Netzwerke (IIoT) zielt darauf ab, den vielfältigen und komplexen Anforderungen moderner Fertigungs- und Produktionsumgebungen gerecht zu werden. Durch die Integration von Software-Defined Networking (SDN) und Network Functions Virtualization (NFV) in das Design, adressiert die Architektur spezifische Herausforderungen wie Qualitätssicherung der Dienste, Netzwerksegmentierung, Zuverlässigkeit, Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit, Nachrüstbarkeit, Rekonfigurierbarkeit, Zugänglichkeit und Anpassungsfähigkeit. Diese Aspekte sind entscheidend, um den zukünftigen Anforderungen von Industrie 4.0 und Smart Factory-Umgebungen gerecht zu werden, in denen eine hohe Konnektivität, Echtzeitdatenverarbeitung und -analyse sowie eine flexible und effiziente Produktionssteuerung erforderlich sind.
Die vorgeschlagene Referenzarchitektur für industrielle IoT-Netzwerke (IIoT) integriert fortschrittliche Technologien und Designprinzipien, um den vielfältigen Anforderungen moderner industrieller Umgebungen gerecht zu werden. Im Zentrum stehen die Konzepte des Software-Defined Networking (SDN) und der Network Functions Virtualization (NFV), die zusammen ein flexibles, skalierbares und sicheres Netzwerkumfeld schaffen. Die Architektur ist darauf ausgelegt, die Anforderungen hinsichtlich Qualitätssicherung der Dienste, Netzwerksegmentierung, Zuverlässigkeit, Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit, Nachrüstbarkeit, Rekonfigurierbarkeit, Zugänglichkeit und Anpassungsfähigkeit zu erfüllen.
Software Defined Networking (SDN) repräsentiert ein innovatives Netzwerkparadigma, das darauf abzielt, die Steuerungsebene von der Datenebene (auch Infrastrukturebene genannt) in Netzwerken zu entkoppeln. Diese Entkopplung ermöglicht eine direkte Programmierbarkeit der Netzwerkfunktionen und vereinfacht so die Netzwerksteuerung und -verwaltung erheblich. Die typische SDN-Architektur lässt sich in drei Schichten gliedern: die Datenebene, die Steuerungsebene und die Anwendungsebene.
Parallel zu SDN bietet der Trend zur Virtualisierung von Netzwerkfunktionen, bekannt als Network Function Virtualization (NFV), enormes Potenzial zur Verbesserung der Bereitstellung vernetzter Anwendungen. NFV zielt darauf ab, Netzwerkdienste wie Firewalls, die üblicherweise als dedizierte Hardware-Systeme im Netzwerk eingesetzt werden, zu virtualisieren.
SDN und NFV ergänzen sich gegenseitig und können kombiniert verwendet werden, um flexiblere und skalierbarere Netzwerkarchitekturen zu schaffen. Diese Kombination kann jedoch auch potenzielle Schwachstellen für Angriffe mit sich bringen. Die Integration von SDN-basierter Steuerung mit der Flexibilität und Skalierbarkeit von NFV ermöglicht eine effizientere Verwaltung und Anpassung von Netzwerkdiensten an sich ändernde Anforderungen und Bedingungen, was besonders in industriellen IoT-Umgebungen von großer Bedeutung ist.
SDN-Switches bilden die Basis der Datenweiterleitung im Netzwerk. Sie werden von SDN-Controllern gesteuert, die hierarchisch zugeordnet und individuell programmierbar sind. Diese Steuerung erlaubt eine differenzierte Behandlung von Datenströmen basierend auf spezifischen Anforderungen wie Bandbreite, Latenz oder Jitter.
SDN-Controller orchestrieren die NFV-Infrastruktur und stellen Dienste wie segment-spezifische Firewalls für das gesamte Netzwerk bereit. Die Controller können die Datenflüsse einzelner Anlagen oder Produktionslinien steuern und so eine flexible, bedarfsgerechte Netzwerkkonfiguration ermöglichen.
NFV-Infrastruktur ermöglicht die Bereitstellung von Netzwerkfunktionen wie Firewalls, Load Balancern und VPNs als virtualisierte Dienste. Dies erhöht die Flexibilität und Skalierbarkeit der Netzwerksicherheit und -funktionalität.
Die vorgeschlagene Referenzarchitektur für industrielle IoT-Netzwerke beruht auf einer sorgfältigen Auswahl von Designprinzipien (DPs), die auf den Kerntechnologien Software-Defined Networking (SDN) und Network Functions Virtualization (NFV) basieren. Diese Prinzipien werden in konkrete Designfeatures (DFs) übersetzt, die die Architektur definieren und ihre Funktionalität bestimmen. Im Folgenden wird erläutert, wie die einzelnen Designmerkmale der Architektur aus diesen Prinzipien abgeleitet und umgesetzt werden.
DF1: Hierarchische SDN-Controller und Switches
DF2: Entkoppelte Netzwerksegmente
DF3: NFV-Infrastruktur
DF4: Redundante Verbindungen
DF5: Gesicherte Übergänge
Die Kombination dieser Designprinzipien und -features bildet eine fortschrittliche Referenzarchitektur für IIoT-Netzwerke, die nicht nur eine flexible und effiziente Netzwerksteuerung ermöglicht, sondern auch höchste Sicherheitsstandards erfüllt. Die hierarchische Struktur der SDN-Controller und Switches ermöglicht eine skalierbare Netzwerkverwaltung, während die virtualisierte Netzwerktrennung und Firewalls eine sichere Kommunikation innerhalb des Netzwerks gewährleisten. Die Redundanz und gesicherten Übergänge sorgen für Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit des Netzwerks, selbst unter den anspruchsvollen Bedingungen industrieller Anwendungen. Die offenen APIs schließlich fördern die Interoperabilität und die Anpassungsfähigkeit des Netzwerks, was für die Integration und das Management von IIoT-Anwendungen unerlässlich ist.
Die schematische Darstellung der Referenzarchitektur in der nachfolgenden Abbildung veranschaulicht die Umsetzung dieser Prinzipien in einem zukunftsorientierten IIoT-Netzwerk. SDN-Switches verbinden Geräte und Anlagen innerhalb des Produktionsnetzwerks und leiten Daten basierend auf den durch die SDN-Controller definierten Regeln weiter. Die NFV-Infrastruktur bietet netzwerkübergreifende Dienste wie Firewalls und VPNs, die durch den obersten SDN-Controller orchestriert werden.
Diese Architektur bietet einen flexiblen Rahmen für die Implementierung von IIoT-Netzwerken, der die dynamische Anpassung an sich ändernde Anforderungen, die Integration neuer Geräte und Technologien sowie die Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Leistung ermöglicht. Sie dient als Blaupause für die Realisierung praktischer IIoT-Anwendungen, die eine effiziente und sichere Datenkommunikation in industriellen Umgebungen unterstützen.
Quelle: Martin, D., Kühl, N., & Schwenk, M. (2021, September). Towards a Reference Architecture for Future Industrial Internet of Things Networks. In 2021 IEEE 23rd Conference on Business Informatics (CBI). IEEE.
Um die kollaborative Wertschöpfung durch IoT-Plattformen zu fördern, bietet das Beispiel des Bosch IoT-Ökosystems wertvolle Einblicke. Bosch hat sich auf die Entwicklung einer übergreifenden IoT-Strategie konzentriert, die IoT-Ökosysteme als entscheidenden strategischen Pfeiler sieht. Dieser Ansatz erforderte ein Umdenken in traditionellen Geschäftsmodellen und die Anpassung der Stakeholder-Beziehungen sowie der Wertschöpfungsprozesse. Aus dieser Vision ergaben sich komplexe Herausforderungen im strategischen Design und in der Governance, die Bosch in drei Dimensionen angegangen ist: IoT-Ökosystem, IoT-Plattform und gemeinsame Wertschöpfung.
Die erste Dimension des Bosch IoT-Ökosystems, das IoT-Ökosystem, beleuchtet die strategischen und organisatorischen Herausforderungen sowie die ergriffenen Maßnahmen, um ein Umfeld für kollaborative Wertschöpfung zu schaffen. Diese Dimension umfasst zwei wesentliche Bereiche: Ecosystem Design und Ecosystem Governance.
Das Design des Ökosystems bei Bosch konzentrierte sich auf die Neugestaltung traditioneller Prozesse, um eine schnelle und unkomplizierte Integration aller Partner zu ermöglichen. Dabei wurden zwei zentrale Herausforderungen identifiziert:
Die Governance des Ökosystems erforderte die Ausbalancierung von Offenheit und Kontrolle, um Wachstum und Vielfalt zu fördern, gleichzeitig aber Qualität und Steuerung zu gewährleisten:
Die zweite Dimension im Rahmen des Bosch IoT-Ökosystems, die IoT-Plattform, konzentriert sich auf die technischen Aspekte, die für die Schaffung einer integrierten und kohärenten Lösung aus verschiedenen Produkten oder Dienstleistungen von weitgehend unabhängigen wirtschaftlichen Akteuren notwendig sind. Hierbei werden insbesondere die Herausforderungen und ergriffenen Maßnahmen in Bezug auf das Platform Design und die Platform Governance beleuchtet.
Das Design der IoT-Plattform bei Bosch stand vor der Aufgabe, eine modulare Architektur zu entwickeln, die Entwicklern die gemeinsame Erstellung von Diensten ermöglicht. Im Zentrum standen dabei folgende Herausforderungen:
Die Governance der IoT-Plattform umfasste die Steuerung des Zugangs zur Plattform und die Bewältigung von Bedenken der Partner bezüglich einer zu dominanten Plattform. Folgende Maßnahmen wurden ergriffen:
Die dritte Dimension des Bosch IoT-Ökosystems, Wertschöpfung durch Kollaboration (Value Co-Creation), beleuchtet, wie Bosch den Übergang vom Zulieferer zum Orchestrator der kollaborativen Wertschöpfung vollzog, indem verschiedene Akteure in das IoT-Ökosystem integriert und deren fortlaufende Mitwirkung an der gemeinsamen Wertschöpfung sichergestellt wurden. Diese Dimension umfasst Herausforderungen und Maßnahmen in den Bereichen Design für Wertschöpfung und Governance für Wertschöpfung.
Bei der Gestaltung für die kollaborative Wertschöpfung stieß Bosch auf die Herausforderung, eine Monetarisierungsstrategie zu finden, die das Wachstum des Ökosystems nicht behindert und gleichzeitig sicherstellt, dass alle wesentlichen Teilnehmer des Ökosystems einen angemessenen Gewinn erzielen können.
Die Governance für die kollaborative Wertschöpfung befasste sich mit der Einrichtung von Regeln und Prozessen, die definieren, wie Partnerschaften mit Wettbewerbern oder deutlich kleineren Unternehmen verwaltet werden, und wie das Henne-Ei-Problem gelöst wird, um eine ausreichende Teilnahme von beiden Marktseiten zu sichern.
Im abschließenden Teil „Spannungsfelder und Lösungsansätze“ (Tensions & Resolutions) der Fallstudie zum Bosch IoT-Ökosystem werden vier übergeordnete Spannungsfelder identifiziert, die sich über die drei analysierten Dimensionen hinweg erstrecken: Ausbeutung vs. Erkundung, Verpflichtung vs. Zugänglichkeit, Kontrolle vs. Offenheit und Stabilität vs. Flexibilität. Diese Spannungsfelder repräsentieren scheinbar unvereinbare und gegenseitig ausschließende Anforderungen, die jedoch durch die in Bosch's IoT-Ökosystem implementierten Maßnahmen in Einklang gebracht werden können.
Die Herausforderung der organisatorischen Ambidextrie – das Gleichgewicht zwischen der Ausnutzung bestehender Ressourcen (Exploitation) und der Erforschung neuer Möglichkeiten (Exploration) – wird im Bosch-Fall durch die Notwendigkeit verdeutlicht, bestehende Geschäftsprozesse anzupassen, um die dynamischen Anforderungen von IoT-Ökosystemen zu erfüllen. Bosch hat sich dieser Herausforderung gestellt, indem es den Übergang von starren, hierarchischen Strukturen zu flexibleren, explorativen Ansätzen vollzogen hat. Die Standardisierung von Prozessen und Verträgen ermöglichte es, die Zeit für das Onboarding neuer Partner erheblich zu verkürzen und die Effizienz zu steigern, ohne dabei Kompromisse bei rechtlichen und Risikomanagementstandards einzugehen. Zudem hat Bosch die Modularität seiner IoT-Plattform genutzt, um einerseits eine stabile Basis für bestehende Lösungen zu bieten und andererseits Flexibilität für die Entwicklung und Integration neuer Module zu gewährleisten. Diese Maßnahmen erlaubten Bosch, sowohl bestehende Ressourcen effektiv zu nutzen als auch neue, innovative Lösungen zu erforschen und zu entwickeln.
Die Balance zwischen Verpflichtung und Zugänglichkeit in der Architektur der Teilnahme spiegelt sich in Boschs Bemühungen wider, eine attraktive und offene Plattform für die Teilnahme von Partnern zu schaffen, während gleichzeitig klare Regeln und Prozesse etabliert werden, um Vertrauen und Fairness im Ökosystem zu gewährleisten. Bosch hat transparente Partnermanagementprozesse implementiert, die nicht nur die Zugänglichkeit der Plattform erhöhen, sondern auch das Engagement der Partner durch klare Regeln und faire Einnahmenverteilung fördern. Durch das Setzen niedriger Eintrittsbarrieren und das Anbieten von Unterstützung für die Partner konnte Bosch eine Umgebung schaffen, die sowohl das Engagement bestehender Partner stärkt als auch neue Partner zum Beitritt ermutigt. Gleichzeitig hat Bosch durch die Etablierung von klaren Richtlinien und die Bereitstellung von Boundary Resources, wie APIs und SDKs, dafür gesorgt, dass die Offenheit der Plattform nicht zu Lasten der Kontrolle und Qualität geht. Diese Maßnahmen ermöglichen eine dynamische und produktive Zusammenarbeit innerhalb des Ökosystems, indem sie die Vorteile von Zugänglichkeit und Engagement mit der Notwendigkeit von Verpflichtung und Qualität in Einklang bringen.
Die Spannung zwischen Kontrolle und Offenheit in der Governance von IoT-Ökosystemen stellt Bosch vor die Herausforderung, einerseits klare Regeln und Richtlinien zu etablieren, um die Qualität und Sicherheit innerhalb des Ökosystems zu gewährleisten, und andererseits eine ausreichende Offenheit zu bieten, um Innovation und Beteiligung zu fördern. Bosch hat diesen Balanceakt durch die Einführung expliziter Partnerschaftsrichtlinien gemeistert, die definieren, wer welche Dienstleistungen innerhalb des Ökosystems anbieten darf. Diese Richtlinien fördern das Wachstum und die Vielfalt im Ökosystem, während sie gleichzeitig sicherstellen, dass die angebotenen Dienstleistungen den Qualitätsstandards entsprechen. Darüber hinaus hat Bosch die Entscheidungsmacht innerhalb des Ökosystems so verteilt, dass sowohl Bosch selbst als auch die Partner Einfluss auf die Weiterentwicklung des Ökosystems nehmen können. Dieser Ansatz ermöglicht es Bosch, eine vertrauensvolle Umgebung zu schaffen, in der Partner motiviert sind, zum gemeinsamen Erfolg beizutragen, ohne dass sie befürchten müssen, von einem dominierenden Akteur übervorteilt zu werden.
Die Notwendigkeit, Stabilität und Flexibilität auszubalancieren, manifestiert sich in der Entwicklung eines minimalen lebensfähigen Ökosystems (Minimum Viable Ecosystem), das schnell an den Markt gebracht werden kann, während es gleichzeitig genug Flexibilität bietet, um auf Veränderungen und neue Gelegenheiten reagieren zu können. Bosch hat auf diese Herausforderung reagiert, indem es zunächst eine begrenzte Anzahl von Partnern eingebunden hat, um eine Basisversion des Ökosystems zu erstellen, die schnell realisiert und demonstriert werden konnte. Diese Strategie erlaubte es Bosch, frühzeitig Vertrauen und Interesse bei potenziellen Partnern und Kunden zu wecken und gleichzeitig die Grundlage für zukünftige Erweiterungen und Anpassungen zu legen. Indem Bosch die Governance des Ökosystems flexibel gestaltet hat, konnte es sich an veränderte Bedingungen anpassen und neue Chancen ergreifen, ohne dabei die grundlegende Stabilität und Zielsetzung des Ökosystems zu gefährden. Diese Balance zwischen Stabilität und Flexibilität ist entscheidend, um langfristig ein erfolgreiches und dynamisches Ökosystem aufzubauen und zu erhalten.
Zusammenfassend zeigt der Fall Bosch, dass durch sorgfältig gestaltete Maßnahmen und Governance-Strukturen die inhärenten Spannungen in der Entwicklung und Verwaltung von IoT-Ökosystemen nicht nur verwaltet, sondern in produktive Dynamiken umgewandelt werden können, die sowohl die Wertschöpfung als auch die Innovation innerhalb des Ökosystems fördern.
Quelle: Sterk, F., Heinz, D., Hengstler, P., & Weinhardt, C. (2023). Reallocating Uncertainty in Incumbent Firms through Digital Platforms: The Case of Google’s Automotive Ecosystem Involvement. In 44th International Conference on Information Systems (ICIS 2023).
Die Fallstudie zur Adoption von Googles Betriebssystem und digitalen Diensten in der Automobilindustrie beleuchtet die dynamische Interaktion zwischen traditionellen Automobilherstellern (Original Equipment Manufacturers, OEMs) und Technologieunternehmen. Durch die Einführung von Android Automotive OS (AAOS) und Google Automotive Services (GAS) stellt Google eine Plattform bereit, die es OEMs ermöglicht, moderne Infotainmentsysteme in Fahrzeugen zu integrieren. Diese Entwicklung wirft Fragen bezüglich der digitalen Strategien der OEMs auf, insbesondere hinsichtlich des Umfangs der Einbindung von Technologieunternehmen in ihre digitalen Angebote.
Die digitale Transformation in der Automobilindustrie zwingt OEMs (Original Equipment Manufacturers) zu einer grundlegenden Neubewertung ihrer Geschäfts- und Produktstrategien. Im Zentrum dieser Herausforderung steht die Umwandlung von traditionellen, hardwarezentrierten Fahrzeugen in vernetzte, softwaredefinierte Plattformen, die weit über die bloße Fortbewegung hinausgehen. Diese Entwicklung ist sowohl eine Reaktion auf als auch eine Vorbedingung für die sich wandelnden Erwartungen der Verbraucher, die zunehmend nahtlose digitale Erlebnisse in allen Aspekten ihres Lebens, einschließlich ihrer Fahrzeuge, suchen.
Technologische Herausforderungen: Die Integration von komplexen digitalen Systemen und Plattformen wie AAOS (Android Automotive OS) von Google in Fahrzeuge stellt OEMs vor technische Herausforderungen. Diese reichen von der Sicherstellung der Cybersecurity über die Gewährleistung der Systemintegrität bis hin zur Kompatibilität mit einer Vielzahl von Fahrzeugmodellen und -generationen. Hinzu kommt die Notwendigkeit, kontinuierliche Software-Updates und -Upgrades zu managen, um die Funktionalität und Sicherheit der Fahrzeuge zu gewährleisten.
Strategische Herausforderungen: Auf strategischer Ebene müssen OEMs entscheiden, wie tiefgreifend sie mit Technologieanbietern wie Google zusammenarbeiten möchten. Eine vollständige Integration von Googles AAOS und GAS (Google Automotive Services) kann zwar den Zugang zu fortschrittlichen Diensten und einer breiten Nutzerbasis eröffnen, birgt aber auch das Risiko, Kontrolle über die Kundendaten und die Endnutzererfahrung zu verlieren. OEMs stehen somit vor der Herausforderung, eine Balance zwischen der Nutzung externer Technologieplattformen und der Bewahrung ihrer eigenen Markenidentität und Unabhängigkeit zu finden.
Marktherausforderungen: Die digitale Transformation verstärkt auch den Wettbewerbsdruck innerhalb der Automobilindustrie. Technologieunternehmen und neue Akteure mit digitalen Geschäftsmodellen drängen auf den Markt und stellen traditionelle Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle in Frage. OEMs müssen sich nicht nur gegenüber diesen neuen Wettbewerbern behaupten, sondern auch ihre Position in einem zunehmend vernetzten und dienstleistungsorientierten Ökosystem verteidigen.
Herausforderungen bei der Datenkontrolle: Ein weiteres zentrales Thema der digitalen Transformation ist die Kontrolle und Nutzung von Fahrzeugdaten. Daten spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Dienstleistungen, von prädiktiver Wartung über personalisierte Nutzererlebnisse bis hin zu autonomen Fahrfunktionen. Die Zusammenarbeit mit Technologieanbietern wie Google kann den Zugang zu fortschrittlichen Analytik- und Cloud-Diensten eröffnen, wirft jedoch gleichzeitig Fragen bezüglich der Datensouveränität, des Datenschutzes und der Datenmonetarisierung auf.
Die digitale Transformation in der Automobilindustrie bietet enorme Chancen für OEMs, erfordert jedoch gleichzeitig eine sorgfältige Navigation durch ein komplexes Geflecht aus technologischen, strategischen und marktbezogenen Herausforderungen. Die Entscheidung, inwieweit Technologieplattformen wie AAOS und GAS von Google in die eigene Produktstrategie integriert werden sollen, ist dabei ein entscheidender Faktor, der die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit und Marktpositionierung der OEMs maßgeblich beeinflussen wird. Die erfolgreiche Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert nicht nur technologische Expertise, sondern auch strategische Weitsicht und die Fähigkeit, agile und kundenzentrierte Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Die strategischen Anpassungen der OEMs in der Automobilindustrie an die digitale Transformation und speziell an die Einführung von Googles Android Automotive OS (AAOS) und den damit verbundenen Google Automotive Services (GAS) sind vielfältig und spiegeln die unterschiedlichen Ansätze und Ziele der einzelnen Unternehmen wider. Im Kern geht es dabei um die Entscheidung, wie tief die Integration mit externen Technologieplattformen erfolgen soll und welche strategischen Ziele damit verfolgt werden. Diese Anpassungen lassen sich in drei wesentliche Kategorien unterteilen: holistische Integration, isolierte Integration und individuelle Anpassungsstrategien.
Holistische Integration: Einige OEMs wählen eine holistische Integrationsstrategie, bei der sowohl AAOS als auch GAS vollständig in ihre Fahrzeuge eingebettet werden. Diese Strategie ermöglicht es den OEMs, von Googles umfangreicher Erfahrung in der Entwicklung von Benutzeroberflächen, Diensten und Ökosystemen zu profitieren. Fahrzeugnutzer erhalten Zugang zu einer breiten Palette von Anwendungen und Diensten, einschließlich Google Maps, Google Assistant und dem Google Play Store, was zu einer verbesserten Nutzererfahrung führt. Allerdings führt diese tiefe Integration auch dazu, dass OEMs einen Teil ihrer Kontrolle über die Kundendaten und die Endnutzererfahrung an Google abgeben. Diese Strategie eignet sich besonders für OEMs, die schnell fortschrittliche Infotainmentsysteme auf den Markt bringen möchten, ohne selbst umfangreiche Investitionen in die Entwicklung eigener Systeme tätigen zu müssen.
Isolierte Integration: Bei der isolierten Integrationsstrategie entscheiden sich OEMs dafür, AAOS zu nutzen, verzichten jedoch auf die Einbindung von GAS. Stattdessen entwickeln oder integrieren sie eigene oder alternative Dienste und Anwendungen, um ihre Unabhängigkeit von Google zu bewahren und eine größere Kontrolle über die Daten und die Nutzererfahrung zu behalten. Diese Strategie ermöglicht es den OEMs, die Vorteile eines etablierten Betriebssystems zu nutzen, während sie gleichzeitig ihre Markenidentität und datenschutzrechtliche Standards wahren. Die Herausforderung besteht darin, Dienste und Anwendungen zu entwickeln, die in Bezug auf Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit mit den GAS-Angeboten konkurrieren können.
Individuelle Anpassungsstrategien: Einige OEMs verfolgen individuelle Anpassungsstrategien, die darauf abzielen, spezifische Aspekte von AAOS und GAS zu nutzen, während sie gleichzeitig eigene Systeme und Dienste entwickeln oder beibehalten. Diese Strategie ermöglicht es den OEMs, eine maßgeschneiderte Balance zwischen der Nutzung externer Technologieplattformen und der Wahrung ihrer eigenen strategischen Ziele und Kontrolle zu finden. Beispiele hierfür sind die Integration von Google Maps für Navigationsdienste, während gleichzeitig eigene Anwendungen und Dienste für andere Aspekte des Infotainmentsystems beibehalten werden. Diese Ansätze erfordern sorgfältige Verhandlungen und Vereinbarungen mit Google, um die notwendige Flexibilität und Kontrolle zu gewährleisten.
Die strategischen Anpassungen der OEMs an die digitale Transformation und die Integration von Technologieplattformen wie AAOS und GAS sind ein kritischer Aspekt ihrer zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit. Die Wahl der Integrationsstrategie hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, einschließlich der Unternehmensziele, der Markenidentität, der datenschutzrechtlichen Überlegungen und der Fähigkeit, eigene digitale Dienste und Plattformen zu entwickeln. Unabhängig von der gewählten Strategie ist es entscheidend, dass OEMs eine flexible und kundenorientierte Herangehensweise verfolgen, um in einem zunehmend digitalisierten und vernetzten Automobilmarkt erfolgreich zu sein.
Die Rolle von Grenzressourcen (Boundary Resources) in digitalen Plattformen, insbesondere in Bezug auf Googles Android Automotive OS (AAOS) und Google Automotive Services (GAS), ist entscheidend für die Gestaltung der Beziehung zwischen Technologieanbietern wie Google und den Automobilherstellern (OEMs). Grenzressourcen sind Werkzeuge, APIs (Application Programming Interfaces), SDKs (Software Development Kits), Richtlinien und andere technische und nicht-technische Mittel, die von Plattformbesitzern bereitgestellt werden, um die Interaktion zwischen der Plattform und externen Entwicklern, Drittanbietern oder in diesem Fall Automobilherstellern zu erleichtern und zu regeln.
Beschleunigung der Skalierbarkeit durch Open-Source-Lizenz: Google hat AAOS unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlicht, was bedeutet, dass OEMs AAOS in ihre Fahrzeuge integrieren können, ohne direkt mit Google interagieren oder spezifische vertragliche Vereinbarungen treffen zu müssen. Dieser Ansatz zielt darauf ab, eine schnelle Skalierung des Ökosystems zu fördern, indem so viele OEMs wie möglich ermutigt werden, AAOS zu adoptieren. Durch die Bereitstellung von AAOS als Open-Source-Projekt positioniert sich Google als zentraler Akteur, ohne direkte Einnahmen aus der Lizenzierung des Betriebssystems zu generieren. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf der Skalierung des Ökosystems und der Förderung der Nutzung von GAS.
Wertgenerierung durch Google Automotive Services: Während AAOS selbst Open Source ist, bietet Google mit GAS zusätzliche, wertsteigernde Softwareartefakte an, die mit dem Betriebssystem interagieren und Dienste wie Google Maps, Google Assistant und den Google Play Store umfassen. Für die Nutzung von GAS müssen OEMs eine Lizenzvereinbarung mit Google abschließen und sich bereit erklären, proprietäre Daten zu teilen. Dies ermöglicht Google den Zugang zu wertvollen Nutzerdaten, um maßgeschneiderte Werbung zu generieren und die Qualität seiner Dienste zu verbessern. Die Einbindung des Google Play Store als Teil von GAS bietet Google außerdem eine direkte Einnahmequelle durch Provisionen für im Store gehostete Drittanbieter-Apps.
Durchsetzung der Standardisierung durch Vehicle Hardware Abstraction Layer: Unabhängig davon, ob sich ein OEM für die Open-Source-Version entscheidet oder AAOS lizenziert, ist die Implementierung der Vehicle Hardware Abstraction Layer (VHAL) eine grundlegende Anforderung. VHAL erweitert das ursprüngliche Android-Framework für den Automobilkontext und definiert Eigenschaften, die von allen OEMs unterstützt werden müssen, die AAOS implementieren. Google ermöglicht es OEMs, VHAL zu erweitern und kundenspezifische, herstellerspezifische Eigenschaften zu integrieren, gibt ihnen jedoch Kontrolle und Datensouveränität über die an Google gesendeten Fahrzeugdaten.
Generativität durch APIs, SDKs und Client-Bibliothek: Der Erfolg von Googles digitalem Ökosystem beruht teilweise auf einer robusten Gemeinschaft von Drittanbieter-Entwicklern, die eine Vielzahl von Apps für Endbenutzer bereitstellen. GAS umfasst APIs und ein SDK, das die App-Entwicklung erleichtert und eine robuste Zahlungsinfrastruktur für alle Plattformtransaktionen über den Google Play Store gewährleistet. Google bietet umfassende Unterstützung für App-Entwickler, einschließlich Werkzeugen, Testsuiten, Dokumentation und Kollaborationsveranstaltungen.
Grenzressourcen sind entscheidend für die Strategie von Google, um OEMs zur Adoption von AAOS und GAS zu bewegen und gleichzeitig ein gewisses Maß an Kontrolle und Flexibilität über die Integration und Nutzung dieser Systeme zu behalten. Sie ermöglichen eine Balance zwischen Offenheit für Innovation und Standardisierung, die notwendig ist, um ein breites und vielfältiges Ökosystem von Anwendungen und Diensten zu fördern, das sowohl für OEMs als auch für Endnutzer attraktiv ist.
Die Wahl der Plattformstrategie durch Automobilhersteller (OEMs) im Kontext der digitalen Transformation, insbesondere bei der Entscheidung für oder gegen die Integration von Googles Android Automotive OS (AAOS) und Google Automotive Services (GAS), ist ein kritischer Faktor, der wesentlich zur Reallokation von Unsicherheiten beiträgt. Dieser Prozess, den wir als „Strategische Neuverteilung von Unsicherheiten in der digitalen Plattformwahl“ bezeichnen könnten, umfasst das Abwägen zwischen verschiedenen Unsicherheitsfaktoren und das Nutzen der Möglichkeiten, die externe digitale Plattformen bieten, um diese Unsicherheiten neu zu verteilen.
1. Unsicherheitsabwägung beim Betriebssystem: OEMs stehen vor der Wahl, entweder AAOS zu implementieren oder ein proprietäres Betriebssystem zu entwickeln. Die Verwendung von AAOS bietet signifikante finanzielle Vorteile und eine schnellere Markteinführung, birgt jedoch das Risiko, dass Google zukünftig die Kontrolle über das System ausweitet, was die Unabhängigkeit der OEMs gefährden könnte.
2. Unsicherheitsabwägung bei Kernanwendungen: Eine weitere strategische Entscheidung betrifft die Nutzung von GAS. Hier bietet Google leistungsstarke Dienste wie Google Maps und Google Assistant, die schwer zu replizieren sind. Die Integration von GAS kann jedoch dazu führen, dass OEMs wertvolle digitale Kundenkontaktpunkte an Google verlieren und Einblicke in das Nutzerverhalten einbüßen.
3. Unsicherheitsabwägung beim App-Store-Geschäftsmodell: Die Entscheidung für GAS beinhaltet auch die Integration des Google Play Store, was die technische Unsicherheit durch robuste Zahlungsmechanismen und eine hohe App-Qualität verringert. Gleichzeitig erhöht dies jedoch die geschäftliche Unsicherheit für OEMs, da sie die Kontrolle über das App-Angebot und potenzielle Einnahmequellen an Google abtreten.
Durch die Entscheidung für eine bestimmte Plattformstrategie können OEMs Unsicherheiten in Bereichen, in denen sie weniger kompetent oder bereit sind, Risiken einzugehen, auf externe Partner wie Google verlagern. Gleichzeitig können sie in anderen Bereichen, in denen sie strategische Vorteile sehen oder die Kontrolle behalten möchten, gezielt Unsicherheiten auf sich nehmen. Diese strategische Neuverteilung ermöglicht es OEMs:
Die strategische Neuverteilung von Unsicherheiten ermöglicht es OEMs, sich in einem zunehmend digitalisierten und von Plattformökonomien geprägten Marktumfeld anzupassen und zu positionieren. Indem sie bewusst zwischen den Vorteilen der Skalierung und Innovation durch externe Plattformen und dem Bedürfnis nach Kontrolle und Differenzierung abwägen, können OEMs eine Plattformstrategie wählen, die ihre langfristigen strategischen Ziele unterstützt und gleichzeitig das Risiko in einem sich schnell verändernden technologischen Landschaft managt.
Die Fallstudie zur Adoption von Googles Betriebssystem und digitalen Services in der Automobilindustrie beleuchtet tiefgreifende strategische Überlegungen, die Automobilhersteller (OEMs) in Reaktion auf die digitale Transformation und die zunehmende Präsenz von Technologiegiganten wie Google in ihrem Sektor anstellen müssen. Sie unterstreicht die Notwendigkeit für OEMs, ihre digitalen Strategien anzupassen, um in einem Marktumfeld, das zunehmend von softwaredefinierten Fahrzeugen und digitalen Ökosystemen geprägt ist, wettbewerbsfähig zu bleiben. Zusammenfassend lassen sich vier Kernpunkte der Fallstudie festhalten:
Die Fallstudie verdeutlicht, dass die digitale Transformation der Automobilindustrie OEMs vor komplexe strategische Entscheidungen stellt. Die Wahl zwischen der Entwicklung eigener digitaler Lösungen und der Integration von Technologien externer Plattformanbieter wie Google hat weitreichende Implikationen für die Kontrolle über das Kundenerlebnis, den Zugang zu wertvollen Daten und die Fähigkeit, sich in einem zunehmend von digitalen Diensten geprägten Markt zu differenzieren. Die strategische Neuverteilung von Unsicherheiten und die bewusste Entscheidung, welche Aspekte der digitalen Transformation intern gehandhabt und welche durch Partnerschaften ergänzt werden sollen, sind entscheidend. Sie ermöglichen OEMs, nicht nur auf kurzfristige Marktentwicklungen zu reagieren, sondern auch ihre langfristige Positionierung und Wettbewerbsfähigkeit in einem sich schnell wandelnden Umfeld zu sichern. Letztlich zeigt die Fallstudie, dass die erfolgreiche Navigation durch die digitale Transformation in der Automobilindustrie eine sorgfältige Abwägung von Chancen und Risiken erfordert. OEMs müssen eine ausgewogene Strategie entwickeln, die sowohl die Potenziale externer digitaler Plattformen nutzt als auch ihre eigene Markenidentität und Unabhängigkeit wahrt.
Quelle: Sterk, F., Heinz, D., Hengstler, P., & Weinhardt, C. (2023). Reallocating Uncertainty in Incumbent Firms through Digital Platforms: The Case of Google’s Automotive Ecosystem Involvement. In 44th International Conference on Information Systems (ICIS 2023).
Die digitale Transformation stellt insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) eine Herausforderung dar, bietet aber gleichzeitig enorme Chancen zur Weiterentwicklung und zur Erschließung neuer Märkte. Ein zentraler Aspekt dieser Transformation ist die Entwicklung und Etablierung von digitalen Plattformen, die es ermöglichen, über Unternehmensgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten und Innovationen zu fördern. Diese Fallstudie beleuchtet, wie ein Industrieunternehmen, das wir hier IndustrialCorp nennen, sich durch die Kooperation mit einem Start-up, YoungComp, zu einem Anbieter einer digitalen B2B-Plattform im Bereich der Transportindustrie entwickelte.
Die digitale Transformation ist für KMU nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Gelegenheit, sich neu zu erfinden und für die Zukunft zu rüsten. Die Ausgangssituation von IndustrialCorp, einem traditionellen Unternehmen im Transportsektor, illustriert exemplarisch die Notwendigkeit dieser Transformation in einer Branche, die zunehmend von digitalen Innovationen und dem Bedarf an vernetzten, intelligenten Lösungen geprägt ist.
Traditionelles Geschäftsmodell und die Erkenntnis der Notwendigkeit zur Veränderung: IndustrialCorp hatte seinen Erfolg jahrzehntelang auf der Herstellung und dem Verkauf physischer Produkte aufgebaut. Das Unternehmen war fest in der Wertschöpfungskette der Transportindustrie verankert, mit einem klaren Fokus auf Qualität und Zuverlässigkeit seiner Produkte. Mit der Zeit jedoch wurde deutlich, dass reine Produktangebote in einem zunehmend digitalisierten und vernetzten Marktumfeld nicht mehr ausreichen würden, um langfristiges Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die digitale Transformation wurde somit zur strategischen Notwendigkeit, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die auf Dienstleistungen, Daten und Plattformen basieren.
Erste Schritte zur Digitalisierung und die Suche nach einem neuen Weg: IndustrialCorp erkannte, dass die Zukunft in der Entwicklung digitaler Lösungen und der Etablierung einer IoT-Plattform liegt. Diese Erkenntnis führte zu ersten Digitalisierungsinitiativen, allerdings ohne klare Strategie oder Erfahrung im Aufbau digitaler Plattformen. Das Unternehmen stand vor der Herausforderung, sein tief verwurzeltes Selbstverständnis als Produzent physischer Güter zu überdenken und sich Kompetenzen im Bereich digitaler Technologien anzueignen.
Die Entscheidung für eine Partnerschaft mit einem Start-up: Um die Lücke zwischen dem bestehenden Know-how und den Anforderungen an eine digitale Zukunft zu schließen, entschied sich IndustrialCorp für die Kooperation mit YoungComp, einem Start-up, das bereits Erfahrungen im digitalen Servicebereich und speziell im Aufbau von IoT-Plattformen gesammelt hatte. Diese Partnerschaft bot die Möglichkeit, von der Agilität und Innovationskraft eines Start-ups zu profitieren und gleichzeitig die eigenen Stärken – wie Marktkenntnis, Ressourcen und Kundenbeziehungen – in die Waagschale zu werfen.
Die Ausgangssituation von IndustrialCorp spiegelt die Herausforderungen wider, vor denen viele KMU an der Schwelle zur digitalen Transformation stehen: die Notwendigkeit zur Erneuerung traditioneller Geschäftsmodelle, die Überwindung interner und externer Hürden sowie die Suche nach passenden Partnern für den Weg in eine digitale Zukunft. Die Entscheidung für die Kooperation mit einem Start-up markiert den Beginn einer vielversprechenden Reise zur Transformation in einen digitalen Plattformanbieter, die IndustrialCorp neue Wachstumsperspektiven eröffnet und zeigt, wie KMU durch strategische Partnerschaften und Offenheit für Neues die Weichen für den Erfolg in der digitalen Ära stellen können.
Um die Herausforderungen der Transformation eines traditionellen Industrieunternehmens zum Anbieter einer IoT-Plattform zu adressieren, orientieren wir uns an einer Struktur, die auf dem Framework der dynamischen Fähigkeiten basiert, wie es von Teece et al. vorgeschlagen wurde. Dieses Framework hilft uns, die notwendigen Fähigkeiten eines Unternehmens zu verstehen, um sich an schnell ändernde Umgebungen anzupassen und dabei nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Die gewählte Struktur ermöglicht eine detaillierte Analyse und Entwicklung von Lösungsansätzen entlang dreier Hauptdimensionen:
Diese Struktur hilft uns, die komplexe Herausforderung der Plattformentwicklung systematisch anzugehen, indem wir spezifische Aktivitäten und Prozesse definieren, die zur Stärkung der erforderlichen dynamischen Fähigkeiten beitragen. Indem wir diese dreistufige Gliederung verwenden, können wir die vielfältigen Aspekte der Plattformentwicklung – von der Wahrnehmung von Marktmöglichkeiten über die Realisierung dieser Chancen bis hin zur effektiven Entscheidungsfindung – präzise adressieren und so einen klaren und umsetzbaren Rahmen für die Transformation bieten. Basierend auf dem Framework der dynamischen Fähigkeiten und den daraus abgeleiteten Microfoundations sowie identifizierten Enablern ergeben sich konkrete Erkenntnisse und Lösungsansätze für die Transformation eines Industrieunternehmens zum Anbieter einer IoT-Plattform. Diese Erkenntnisse stellen praktische Hebel dar, die Unternehmen bei dieser komplexen Transformation unterstützen können.
Diese Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung einer strategischen, ganzheitlichen Herangehensweise an die Transformation zum Anbieter einer IoT-Plattform. Sie betonen die Notwendigkeit, über traditionelle Geschäftsmodelle hinauszudenken, eine Kultur der Offenheit und des Lernens zu fördern und die organisatorische Agilität zu steigern, um in einem zunehmend digitalisierten Marktumfeld erfolgreich zu sein.
Die Fallstudie zur Transformation eines Industrieunternehmens zum Anbieter einer IoT-Plattform liefert wertvolle Einsichten in die komplexen Prozesse und Herausforderungen, die mit der digitalen Transformation verbunden sind. Durch die Anwendung des Dynamic Capabilities Frameworks wurden sieben zentrale Enabler identifiziert, die es IndustrialCorp ermöglichten, erfolgreich eine digitale Plattform in Zusammenarbeit mit dem Start-up YoungComp zu entwickeln. Diese Enabler reichen von der Adoption einer Service-Ökosystem-Perspektive über den Aufbau vertrauensvoller Beziehungen auf Augenhöhe bis hin zur Integration diverser Wissens- und Fähigkeitsbereiche und der Ausstattung autonomer Veränderungsteams.
Eine wesentliche Erkenntnis der Studie ist, dass die erfolgreiche Transformation zu einem digitalen Plattformanbieter nicht nur technologische Anpassungen erfordert, sondern auch einen tiefgreifenden Wandel in der Unternehmenskultur und den Arbeitsweisen. Die Fähigkeit, Chancen zu erkennen und zu ergreifen, ist dabei ebenso entscheidend wie die Bereitschaft, aus dem Feedback der Nutzer zu lernen und die Plattform iterativ zu verbessern. Die Einigung auf eine gemeinsame Vision und der Aufbau eines Klimas des Vertrauens zwischen allen Beteiligten sind grundlegend für eine effektive Zusammenarbeit und die Realisierung der digitalen Transformation. Die Fallstudie zeigt auch, dass die Kooperation mit externen Partnern, wie Start-ups, wertvolle Ressourcen und neue Perspektiven in den Transformationsprozess einbringen kann. Durch die Kombination der Stärken und Ressourcen beider Unternehmen konnte eine leistungsfähige Plattform geschaffen werden, die sowohl den Kundenbedürfnissen entspricht als auch neue Geschäftsmodelle ermöglicht.
Schließlich unterstreicht die Fallstudie die Bedeutung von Autonomie und flexibler Entscheidungsfindung in Transformationsprojekten. Die Ausstattung spezialisierter Teams mit den notwendigen Ressourcen und Entscheidungsbefugnissen ermöglicht schnelle Anpassungen und fördert Innovationen. Insgesamt liefert die Fallstudie wertvolle Lehren für andere Industrieunternehmen, die vor der Herausforderung der digitalen Transformation stehen. Sie verdeutlicht, dass ein holistischer Ansatz, der sowohl technische Innovationen als auch organisatorische und kulturelle Veränderungen umfasst, entscheidend für den Erfolg ist.
Quelle: Riefle, L., Eisold, M., & Benz, C. (2021). Industrial Corporation’s Transformation into a Digital Platform Provider: A Case Study on Enablers. In 2021 IEEE 23rd Conference on Business Informatics (CBI) (Vol. 1, pp. 131-140). IEEE.